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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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1850-1860.

ihm ausschließlich zur Ehre. Nach all den blitzblaucu oder kohl-schwarzen oder einfach grauen Epeu war dies endlich eins, das Farbehatte, Lokalfarbe. Wie man von Heine sagen kann, er habe eigentlichimmer Reisebilder gedichtet, so sind Scheffels Schriften eigentlich alleReiseepisteln. Wer dieNeisebilder" (erschienen 1887) und dieEpisteln" (erschienen 1892) liest, der wird rasch erkennen, wo vor-zugsweise Scheffels Stärke lag. Auch er gehört zu den Landschafts-zeichnern, die aus der jungdeutschen Reisewnt allmählich hervor-gewachsen waren: Ludwig Steub (18121888), FerdinandGregorovins (18211891), Moritz Hartmann (18211872),endlich als Nachzügler Heinrich Noö (18351897). Wie Gre-gorovius hat auch Scheffel das Bedürfnis, aus der ganz individuellerfaßten Landschaft Gestalten emporsteigen zu lafseu aber uichtsowohl historische Individuen, als vielmehr historisch-ethnologischeTypen. So bildet sich ihm ein mit großer Bestimmtheit erfaßterHintergrund: die Zustünde in diesen katholischen Stiften unter denNachwehen des großeu Kriegs oder in dem Rom Jnnocenz' XI. (mitSalvator Rosa und Bernini als charakteristischen Exponentenneben Carlo Dolce ) sind ihm so deutlich wie Riehl die in denkleinen deutschen Fürstentümern, und daraus erwächst ihm die Hal-tung der Figuren, die Entwickelung der Fabel. Poetischer als beiRiehl wird die Behandlung aber nicht durch die Verssorm, souderndurch die poetische Einfühlung in die Landschaft. Mag die Beseelung/der Flüsse vou Hebel eiugegebeu seiu die Verkörperung der Wald-

einsamkeit in dem stillen Mann bleibt eine glückliche Idee.

MitEkkehard" (1857) steht es ähnlich. Als historischerRoman kann er weder mit Willibald Alexis noch mit den älterenBänden derAhnen" auf eine Stufe gestellt werden, so weit er auchDahn und Ebers hinter sich läßt denn Scheffel war doch immerein echter Dichter. Alle historischen Einzelheiten, besonders auch die mitstörender Häufung angebrachten aus Scheffels Studium des altendeutschen Rechts, können den ungeheuren Anachronismus der Haupt-figur nicht erträglich inachen. Anch Frau Hadwig hat gefährlich vielvon der zerrissenen Dame der jungdeutscheu Emancipationsromane.Mit welcher Fülle individueller Typen entwickelt sich dagegen dasschwäbische Klosterleben, oder der Hunnenzug! Aus solchen Gesamt-bildern die Einzelheiten herauszubilden, wie ein Archäolog aus einemhalb verwitterten Relief die Linien einzeln herausliest, das ist Scheffelsbesondere Stärke. Und statt nun mit pedantischer Angst sich an die