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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
Entstehung
Seite
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Ekkehard",

Kleinere Dichtungen Scheffels .

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Vorlage zu halten, entschuldigt der Verfasser mit heiterer Selbst-ironie alle Sünden wider die historische Treue dnrch die Bezeichnungeiniger ganz frei ausgeführter humoristischer Gestalten: Gunzo,Spazzo, und die lieblichen Figuren Audifax und Hadumoth, die,wie die alte Hexe, fast symbolische Produkte dieser Natur uud dieserVerhältnisse scheinen. Die Sprache schwankt zwischen absichtlichschwerfälligen Archaismen und ganz moderner Dreinsprache desmodernen Erzählers: aber auch das giebt dem Buch jenen Charakterdes behaglich ungezwnngenen Vortrags, der gemütlich wohlthut, auchwo man ästhetische Bedenken hat. Als Gesamtbild bleibt der Ekke-hard deshalb wertvoll, wenn auch der Held und sein Weltschmerzdie innere Wahrheit der Jordanischen Nibelungen nicht allzu weitübertreffen.

Wie mittelalterlicher Weltschmerz ausgesehen haben mag, schilderndrei kleine Einzelstudien. Das Thema zog ihn an er flüchteteeben mit seiner eigenen Melancholie in zeitliche Ferne, wie er sieauf die Höhe der Berge trug.Hugideo" (1884) versetzt eineuunglücklichen Liebhaber von heut, der die Marmorbüste seinergeliebten Römerin mit sich herumschleppt, in die fummarisch aberglücklich geschilderte wogende Brandung, die die Völkerwanderungan eine einsame Rheinklippe schleudert.Junipcrus" (1868),eigentlich als Episode für den großen Wartburgroman bestimmt,führt die Bewerbung zweier Jünglinge um eiue Maid, Ent-täuschung, Kampf und Sühne vor; die Jungfrau Rotkraut istleider wieder eine moderne Kokette, aber dieblöde Jugendeselei"des Helden und der Narrenkampf find meisterlich. Endlich dieBergpsalmen" (1860 geschrieben, 1870 erschienen) sind demBischof Samt Wolfgang von Regensburg in den Mund gelegt, dersich vou Mühe und Kampf seiner weltlichen Fürstenstellung in dieEinsamkeit des Wolfgangsees flüchtete. Auch hier ist das historischeKolorit nicht eben ängstlich festgehalten, desto treuer aber das land-schaftliche; in freien Rhythmen von großer Beweglichkeit weiß Scheffeldie Empfindungen wiederzugeben, die Sturm und Sonnenschein, Aus-fahrt und Heimkehr in dem vornehmen Siedler erwecken. Wie imSonnenscheinder See erblüht", das hätte freilich vor neunhundertJahren kein Dichter so schildern, ja kein Beobachter so sehen können;man empfindet hier so recht deutlich, wie unsere Sinne sich geschärfthaben. Die berühmtenscharfen Sinne der Naturvölker" bemerkeilmir ein Paar Dinge, auf die zu achten ihr ganzes Leben sie lehrt;

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