einer auserwählten Bibliothek und hübschen Sammlungen, aufderen billigen Erwerb er wieder stolz war, ausgestattet, sonstfreilich so schmucklos, daß der Bauernsohn und frühere SchneiderRosegger über die kahlen Wände erschrak. Aber dem gefeierten, infeiner Stadt verehrten Dichter zehrten zmei Feinde die Lebensfrendeauf, nach der er so begierig strebte: die quälende Krankheit — nnddie beständige Unzufriedenheit. Die schweren Schmerzen, die ihnzu fast beständiger Rückenlage zwangen, die ihm jahrelang kaumeinen Gaug ins Freie, nur die bescheidenste Nahrung, keinen TropsenWein erlaubten, ertrng er wie ein Held, kaum klagend, immersie besiegend. Aber jede Recension, die ihn nicht, wie Kürnbergersich über Hamerlings Preistrompeter äußert: „ungeschickt und imWeißbinderstil" lobte, regte ihn zn den heftigsten Gegenäußerungenauf. Er vereinsamte so, durchaus nicht ohne eigene Schuld, immermehr, bis er (13. Juli 1889), an Verehrern reich, aber fast ohneFreunde, starb. Als Denkmal seiner gequälten Mißvergnügtheithinterließ er die „Stationen meiner Lebenspilgerschaft" (1889).Nirgends wird sein Herz warm, wenn er früherer Freunde gedenkt:aber lebhaft wird er, sobald er von einem seiner Bücher zu berichteuhat. Dann erfolgt mit fast komisch wirkender Regelmäßigkeit fol-gendes Schema: „ich lege, offen gestanden, gerade auf dies Werkbesonders Gewicht — es hat die und die Vorzüge — es hat des-halb auch enthusiastischen Beifall gefnnden — aber dennoch zeigtesich hier wieder die ganze Gehässigkeit der kritischen Mente, dennhatte etwas auszusetzen" — worauf eine breite Widerlegungfolgt. Man sollte danach wirklich meinen, er habe lauter fehler-lose Meisterwerke geschrieben. Aber es steht bei ihm nicht einmalwie bei Hebbel, der mit allem, was er schrieb, zufrieden war, weiles seiner Theorie genau entsprach: Hamerling besaß gar keine klareKnnstlehre. Er glaubte einsach an die Herrlichkeit seiner Werkeund nahm sich selbst zur Norm. Man hat es zu wenig beachtet, daßgerade dies Jahrzehnt der Epigonenhcrrschaft, dies „bleierne Jahr-zehnt", wie der Historiker Erich Marcks die Jahre 1850—1860nennt, den äußersten Tiesstand der litterarischen Heroenverehrnngbedeutet. Niemals ist bei den Dichtern weniger von Goethe undSchiller die Rede. Jordan, der zwar im „Demiurgos" den „Faust "travestiert uud in die „Sebalds" eine realistische Kopie der Makarieaus den „Wanderjahren" eingeführt hat, stellt sich nicht nur neben,sondern eigentlich über Goethe; die meisten anderen ignorieren ihn,
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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
Seite
549
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