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1850-1860.
reizte sie denn auch, von der Erzählung zum Volksstück fortzu-schreiten, und hierdurch haben Chiavacci („Einer vom alten Schlag"1886, mit Karlweiß), Karlweiß (Karl Weiß geb. 1850 in Wien :„Aus der Vorstadt" 1883, mit Hermann Bahr), Karl Morre (geb. 1832) aus Klagenfurt (,,'sNullerl" 1885) die alte öster-reichische Tradition von Raimund und Nestroy bis zu HermaunBahr (geb. 1863: „s Tschaperl" 1897) und Arthur Schuitzler (geb.1862: „Liebelei" 1895) übergeleitet.
Der liebenswürdige Friedrich Wilhelm Grimme (1827—1887) aus Assinghausen im westfälischen Sauerland vereinigt dieandächtige Liebe zur Heimat mit warmherziger Religiosität. Juseinen Schwünken i „Schwüuke und Gedichte" 1361» ist der Lehrerund Gymnasialdirektor etwas trocken; aber seine Gedichte (Gesamt-ausgabe 1881; zuerst 1855) enthalten echte Herzenstöne, und nichtleicht ist ein Teil Deutschlands so warmherzig gepriesen worden,wie er sein Heimatthal, „dies Himmelreich auf Erden" besingt.Kräftig und tüchtig sind auch seine Sprüche. Den Typus deseigentlichen Dialektdichters, der sich inhaltlich wie äußerlich inner-halb engerer Grenzen halten muß, hier aber wahrhaft Erfreulicheszu leisten vermag, verkörpert dieser Fortsetzer anspruchsloser alt-volkstümlicher Art in ausgezeichneter Weise.
Zu höherem Schwung hebt sich ein anderer eifrig katholischerDichter: Edmund Behringer (geb. 1828) aus Bubenhausen inseinen „Aposteln des Herrn" (1879). Die Großartigkeit und Ge-schlossenheit der Komposition bleibt zu bewundern, mag auch in derDurchführung ein gewisses Mißverhältnis zwischen Vorsatz undKraft fühlbar bleiben. Johannes, der allein überlebende Lieblings-jünger Christi, erwartet am See Genezareth die schon verklärtenGenossen; und indem sie nun gruppenweise erscheinen, wird in großenZügen die ganze Geschichte der christlichen Völker vorgeführt. Amlebendigsten und kräftigsten spricht der Dichter, wenn der heiligeAndreas von seinen teueren Germanen berichtet; doch auch dieVerkörperung der mit warmer Liebe geschilderten Hellas wirkt er-greifend. —
Aber mehr als die Religion half eine andere Macht die Poesieverjüngen. Der Staat und die Kirche, der Konservativismus und derLiberalismus, der großdeutsche und der Partikularistische Gedanke, dieForderung der reinen Kunst und die Tendenzdichtung — alle, allewaren sie bei der harten Probe des Jahres 1848 als matt, als krank,