Religiöse und wissenschaftliche Anregungen.
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als unzulänglich befunden worden. Aber die Wissenschaft war vonden Niederlagen der Professoren in der Paulskirche unberührt ge-blieben. Früh hatten deshalb kluge Männer bei ihr Anschluß gesucht:äußerlich, im Sinne einer dichterischen Einkleidung wissenschaftlicherResultate, Jordan und die Ebers, Dahn und Genossen; tiefer, imSinne einer Nutzanwendung aus der wissenschaftlichen Erkenntnisauf Leben und Kunst, die Gottfried Keller , Freytag, Riehl. Dasschuf prächtige Werke, für die wir ewig dankbar sind; auf neneWege lenkte auch das nicht. Es blieb übrig, von der Wissenschaftdas letzte zu lernen: die Methode selbst. Es blieb übrig, ausihrer unverzagten Wagelust, aus ihrer unerschrockenen Thatkraft,aus ihrer unbedingten Vorurteilslosigkeit den Mut zu neuen Thatenzu schöpfen. Der Wissenschaft ist ein Fehlschlag nur eben ein miß-glucktes Experiment; lächelnd geht sie zu neuen Versuchen über.Darin liegt die belebende Kraft echter Forschung. Nicht daß sieunfehlbar wäre — sie will es gar nicht sein, nur ihre Vertretermöchten es oft; aber daß sie unermüdlich ist — das ist ihre Größe.Der Künstler verzagt leicht, der Staatsmann mag oft verzweifeln;der Gelehrte darf an seinen Fähigkeiten zweifeln, nicht an derWissenschaft, wie jene an der Kunst oder der Politik.
Damals vor allem bewährte sich die Wissenschaft als Quickborn .Auch von großen Staatsmännern hätte man lernen können; aberwer wußte viel von dem Gesandten v. Bismarck, der sich eben ausdem hochfahrenden Junker zum großen Staatsmann — und auchzum großen Stilisten umschuf? wer von den Generälen Moltke undNoon, die in trefflichen Wanderbüchern und geographischen Werkendie Objektivität des strategischen Beobachters in den Dienst einerwissenschaftlichen Beherrschung des Stoffes stellten? Aber die großenGelehrten kannte alle Welt; und sie hatten das Verdienst, Anteilan den Bedürfnissen des Volkes zu nehmen. Man dürstete nachErfolgen, nach einer Versöhnung mit dem Leben. Die Freude ander blinten Fülle der Wirklichkeit, die neben einem Ranke einst auchDichter und Künstler gekannt hatten, besaß jetzt nur noch der Ge-lehrte. Die anderen wählten vorsichtig aus und bauten sich in dereinsamen Waldmühle oder auf der Wiener Gasse, im Wohllautoder in der Spekulation ihr Nest. Aber Hermann v. Helmholtz(1821—1894) aus Potsdam trat an alle Fragen mit der naivenNeugier Rankes heran: „Es war in Wahrheit die besondere Formmeines Wissensdranges, der mich vorwärts trieb und mich bestimmte,
Meyer, Litteratur. 37