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fechtern der neuen Kräfte wie Kürnberger, neben unparteiischenFreunden alter und neuer Kunst wie Hillebrand fehlen nicht diet^äg-torss tsmporiZ aeti wie Hanslick , die Gegner neuer Talentewie Frenzel. Aber ein Streben, über Willkür nnd Persönlichkeitenfortzukommen, von einer höheren Warte das Land zu erschaueu,und das Bedürfnis, die Kritik selbst in durchgebildeter Form zugeben, beherrscht alle. Der Fraktionsgeist der Romantiker und derJungdentschen, die persönlichen Gehässigkeiten der Müllner nnd Meuzelfinden ans der ganzen Linie von Bischer bis Speidel keinen Raum.Auch die doktrinäre Enge der Hegelianer Gubitz und Nötscher wirdfast durchweg überwunden. Sehr gescheite Leute siud diese Kritikeralle; viele sind mehr. Wo die Dichter der Epoche gegen die Kritikerpolemisieren, unterliegen sie nicht nur, sondern sie haben auchwirklich meist unrecht; wo Hamerling gegen Kürnbergers Wahr-sprnch, sür den „Fechter von Navenna" und gegen die „SiebenLegenden" eintritt, wo Jordan sich selbst gegen seine Recensentenverteidigt, da hat fast überall die Nachwelt im Sinne der Kritikerentschieden.
Der hervorragendste Kunstrichter dieses kritischen Zeitraumeswar wohl unbedingt Ferdinand Kürnberger (1823—1879) ausWien . Wenn einer, so war er zum Kritiker geboren. In der„gedrungenen Gestalt mit beinahe viereckigem Gesicht und stumpfer,etwas geröteter Nase, hoher, breiter Stirn und grauem unwirschenAuge" wohnte ein unbestechlicher Wahrheitssinn; hinter demPoltern des unliebenswürdigen „Graunzers" und der Eitelkeitdes mit der Gastfreundschaft seiner Freunde — besonders Wil-helm v. Kaulbachs — iu Brentanoscher Ungeniertheit rechnen-den ruhelosen Junggesellen war eine andächtige Verehrung derKunst und der Wahrheit verborgen. Auf die beiden kam es ihman: echte Kunst forderte er uud subjektive Wahrheit. Deshalb warddie Auswahl seiner „Reflexionen und Kritiken", die er bezeichnen-derweise „Litterarische Herzenssachen" ^1877) nannte, zueiuer Fuudgrube scharssinniger Urteile und glänzender Analysen.1872, als von Gottfried Keller fast nur die Eingeweihten zuredenwußten, erklärte er bereits den Dichter der „Leute von Seldwyla "für den ersten Novellisten der Welt; Perlen wie Claude Tilliers„Onkel Benjamin" oder gar den Briefwechsel Goethes mit Schiller,verborgene Talente wie Hermann Kurz , aufgehende Sonnen wieTurgenjew hat niemand liebevoller und feinsinniger gewürdigt als