582 1850—1860.
er. Aber auch auf kleine Symptome wußte er zu achten; die kultur-historische Bedeutung der Witzblätter und der „ernsthasten Witze"hat gerade er als der erste betont. Und wieder die Gesamtphysio-gnomie jener Tage ist wohl von keinem Zeitgenossen so hell be-lenchtet worden wie von Kürnberger in dem meisterhaften Artikelüber Wilhelm Jordan . Dies Talent, die hervortretenden Zügeder Zeit zu erfassen, hob auch seine politischen Feuilletons weit überden Durchschnitt. Seine „Siegelringe" (1874) können sichruhig neben Gustav Freytags „Politischen Aufsätzen " sehen lassen,ja an verhaltener Kraft, an ingrimmiger gesammelter Schlagfertig-keit übertreffen sie sie. Auf dem Boden der Politik hatte derglühende deutsche Patriot, der leidenschaftliche Liberale nur zu vielGruud zu Skepsis und Erbitterung. Auch hatte er den Glaubenan die allein seligmachende Demokratie früh eingebüßt. SeinRoman „Der Amerikamüde" (1856) ist wieder wesentlich kritischerNatur: das Idealbild amerikanischen Lebens, das zur Zeit der„Europamüden" so gern gezeichnet wurde, wird auf Grund ein-gehender Studien revidiert; und obwohl Kürnberger selbst nie jen-seits des Meeres war, ist ihm ein Gesamtbild von großer Anschau-lichkeit gelungen, weuugleich der Dankee mit zu schroffer Härte ge-zeichnet und der deutsche Idealist — der erst nachträglich Zügevon Leuau erhielt — konventionell geblieben ist. Künstlerisch be-deutender als dies immerhin interessante und kulturhistorisch bedeut-same Buch sind Kürnbergers Novellen. Hier tritt das roman-tische Element in ihm stärker und zwar in sehr liebenswürdigerForin hervor, nicht nur in der Lebensanschauung, sondern auch iuder Neigung zu kunsttheoretischen Gesprächen; doch ist der Ton,in dem Landolin (in der reizenden Erzählung „Heimlicher Reich-tnm") über Heyses Arrabiata, Hamerlings Ahasver, Halmsberühmte Verse „Zwei Seelen und ein Gedanke" spricht, ganzanders der Persönlichkeit angepaßt als die litterarischen Kritikenetwa in Tiecks Novellen.
Kürnberger ward der Stammvater der ruhmreichen WienerKritik, deren litterarische Bedeutung groß, dereu künstlerische Be-deutung kanm geringer ist. Fast gleichaltrig zwar sind der berühmteMusikkritiker Eduard Hanslick (geb. 1825) aus Prag , ein amü-santer Plauderer, allerdings voller Subjektivität uud gegen die„Zukunftsmusik" wie seine Kollegen Kürnberger und Spitzer biszur Verblendung verbittert, Rudolf Valdek (eigentlich Rudolf