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Wagner 1822—1894), Wohl der selbständigste und Vielseitigsieunter ihnen, ein Meister des Feileus und ein großer Leser, Über-setzer und Charakteristiker, Friedrich Uhl (geb. 1325) aus Teschenin Schlesien. Dann folgen Ludwig Speidel (geb. 1830) ausUlm, der sich in Wien so ganz heimisch gemacht und dem litte-rarischen Teil der „Neuen Freien Presse " den Stempel seiner feinenimpressionistischen Knnstkennerschaft aufgeprägt hat; Daniel Spitzer (1835—1893) aus Wien , der in feinen berühmten „Wiener Spazier-gängen" (seit 1865) einen etwas angestrengten, oft freilich mit Er-folg augestreugteu Witz, eiue vielseitige Belesenheit und eine heim-liche lyrische Ader zu kunstvollen Mosaiken zusammenfügte, inseinen satirischen Novellen aber („Das Herrenrecht" 1877, „Ver-liebte Wagnerianer" 1878) die altösterreichische Lascivität ohne diealtösterreichische Grazie erneute; Hugo Wittmann (geb. 1839,Speidels specieller Landsmann), und nicht wenige Jüngere, die nochzn nennen wären. Eins mindestens teilen sie alle: die Sorgfaltder Form, die ein Kunstwerk genügend respektiert, um ihm künst-lerische Behandlung angedeihen zu lassen. Auch ein gewisser Gruud-bau von ästhetisch-moralischen Anschannngen ist ihnen allen — selbstdem scheinbar ganz ungebundenen Spitzer — gemein; erst die neueSchule Wiener Kritiker, die der geistreich-sprunghafte HermannBahr i^geb. 1863) aus Linz eröffnete, hat sich unbedingt zumPrinzip des Subjektivismus und Impressionismus bekannt.
Wie Kürnbergcr, Spitzer, Thaler, Kalbeck, Bahr in Wien ,haben nach löblicher Sitte andere Kritiker sich anch im Produzierengeübt. Die unvergleichliche Gesamtleistung der neueren srauzösischeuLitterarkritik ist nicht zum wenigsten dadurch ermöglicht wordeu,daß die Ste. Beuve, Anatole France , Lemaitre, Bourget ihre kritischeArbeit mit erzählender abwechseln ließen. Karl Frenzel (geb. 1827 >aus Berlin , der in mancher Hinsicht an die ältere Art französischerKritik, an Laharpe und Nisard, erinnert, trifft hierin mit denneuereu zusammen; und er selbst sieht Wohl die umfangreiche Bi-bliothek von Romanen und Novellen, die er geschaffen hat, als seineHauptleistuug an. Der Schüler Gutzkows und des zu dem KreisStirners gehörigen Neligionsforschers Friedrich KöPPen hat dieEinflüsse nie verleugnet, die er aus dein unzufrieden-aufklärerischenBerlin seiner Jugeudzeit empfing. In den politischen Aufsätzen(„Deutsche Kämpfe" 1874) mag die Energie des unabhängigen frei-sinnigen Mannes erfreuen, der gegen die religiöse uud die atheistische