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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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18S01860.

Orthodoxie, gegen öden Materialismus und romantische Mystikgleich gefeit ist; aber formell sind auch sie mit Gustav Freytagsoder Kürubergers Artikeln nicht gleichzustellen und von Lessing hätte man nun gar nicht reden sollen. Das hat freilich derAutor selbst provoziert, indem er Theaterkritiken alsBerlinerDramaturgie" (1877) sammelte. Über ein Menschenalter langiseit 1861) war Frenzeldie Kritik" Berlins . DieNational-zeitung", das Organ des wohlhabenden Liberalismus, später auchdieDeutsche Rundschau", die Revue der Bildungsaristokratie,hörten auf seine Aussprüche wie Orakel. Er hätte viel Gutesleisten können. Er hat es nicht. Die verdrießliche Gescheitheit, dasmißvergnügte Besserwissen und Ambestcnwissen des Berlin von183040 sind immerseine note personelle" geblieben. Nie hater vor einer Größe einen stillen Schauer, nie über eine Niedrigkeitgerechten Zorn empfunden. Weder mitzuhassen noch mitzuliebenwar er da nur zu korrigieren ward er geschaffen. Objektiv ister deshalb doch nicht, denn die Strenge seiner doktrinären Prin-zipien ersetzt vollauf jede persönliche Heftigkeit des Empfindens.Es fehlt ihm an Phantasie, an Eindrucksfähigkeit, an Leidenschaft" so urteilt er über seinen Vorgänger Rötscher und charakterisiertsich selbst. So hat er jahrzehntelang für Putlitz und Benedix,für Paul Lindau und Hugo Lubliner gekämpft gegen Anzengruber,gegen Ibsen , gegen Hauptmann. Ehrenhaft blieb er bei seinerMeinung, auch wo andere vor dem wachsenden Beifall kapitu-lierten. Frenzel ist der bürgerliche Ehrenmanu, der anch die Kritikals rechtschaffenes Handwerk treibt; Kürnbergcr hatte als Menschbedenklich romantische Seiten aber er war Künstler und fühlteals Künstler.

Von Frenzel ging auch eine Schule aus. Erfrenlich war siegerade nicht. Lange nicht der Schlimmste war der, den man sichallmählich gewöhnt hat als Prügelknaben für die gauze Zeit undRichtung zu benutzen: Paul Liudau (geboren 1839) ans Magde-burg . Von dem Pfarrhaus, in dem er geboren ist, merkt mandem frivol-gemütlichenGamin" freilich nichts an, desto mehr vondem fünfjährigen Pariser Aufeuthalt, den er seinen litterarischennnd philosophischen Universitätsstudien folgen ließ. Als er nachlängerer Redaktionsthätigkeit in Düsseldorf, Elberseld, Leipzig (1871)nach Berlin übersiedelte, das nun mit einemmal anch die litte-rarische Hauptstadt des Reiches werden sollte, da hatte der viel-