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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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1850-1860,

ernster als Kritiker wie als Autor, durch seinen sittlichen Erustauch Lindau überragend und dabei feinfühliger als der hartknochigeFrenzel hat Fritz Mauthner (geboren 1849) aus Horsitz beiKöniggrätz es durch einen großen Treffer zur Berühmtheit gebracht:durch die parodistischeu StudieuNach berühmten Mustern"(1878, 1880), die in meisterhafte» Karikaturen die SchwächenAuerbachs, Freytags, Scheffels, du Bois-Neymonds oder die SchwächeHamerlings ans Licht stellen und sich fast zu einer kleinen ironischenLitteraturgeschichte derHauptberühmtheiten jener Tagezusanimenfiudeu.Anch seine Erzählungen haben ihre Starke in der Ironie: wie derArme Franischko" (1879) sich im Gefängnis in einem verzaubertenSchloß wähut, wieXanthippe" (1884) gegen Sokrates recht behältdas wird mit feiuer Satire durchgeführt. In dem Versuch, denBerliner Roman" zu schaffen (Quartett" 1886,Die Fansare"1888,Der Billenhof" 1890) ist er, wie Lindau , gescheitert, währenddie patriotische Erzählung aushalbasiatischem" Gebiet (Der letzteDeutsche von Blatua" 1886) uicht nur um ihrer Tendenz willenzu loben ist. Seine Kritiken aber (Von Keller zu Zola" 1887)siud immer an beachtenswerten Einzelheiten reich; eine einheitlicheGesamtanfsassung bleibt diesem hyperkritischen Geist versagt.

Fast allgemein fanden wir so das Bestreben verbreitet, dieKritik selbst künstlerisch zu gestalten. Immer blieb doch aber dieRecension im Dienst des Tages; mochte auch eine spätere Samm-lung ihrer mehrere zn danernder Bedeutung hebeu die einzelnetrug doch stets etwas von den Eigenheiten ihres Ursprungs an sich.Wollte man aber den kritischen Aussatz von vornherein zu dauern-der litterarischer Geltung erheben, so war dafür bei andern Nationenlängst eine Form geschaffen, die nur für uns noch zu erobern war.Es war der Essay. Indem der Autor selbst erst den Versuch zumachen scheint, über irgend eiu interessantes Thema ins klare zukommcu, sührt er zwauglvs den Leser von einer Seite des Gegen-standes zur andern, bis er ihn ihm möglichst vollständig gezeigthat. Es ist viel mehr noch diese Vielseitigkeit oder Allseitigkeit derBetrachtung, als die freiere, leichtere Form, was den Essay kenn-zeichnet; denn letztere wird nur durch jene berechtigt. Eiue Be-trachtung, die in populärer Form einen einzelneu Gesichtspunktdurchführt, ist noch kein Essay; ein gründlich gelehrter Aussatz, dernur in der Anordnung der Gesichtspunkte eine gewisse Freiheit undin ihrer Sammlung eine gewisse Vollständigkeit ausweist, kaun es