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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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588
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588 18501860.

schreitet; überall reizt er zum Widerspruch, aber vor allem deshalb,weil man so gern seine Antwort hören möchte. Ganz und garein Erbe der Romantik, ist er voll von dem Glauben an dieSouveränetät des Genies; der Historiker ist ihm auch nur einMärchenerzähler, und der Märchenerzähler wird ihm zum Historiker.Demi wahrhafte Existenz hat für ihn eigentlich nur der Geist, derdie Dinge beschaut sie selbst sind zufällige Anlässe für ihn, sichzu äußern. So kam er allmählich in einen förmlichen Haß gegenalleMethode" hinein, freute sich'paradoxer Zusammenstellungenmehr, weil sie seine Verachtung dersogenannten Geschichtschreibung"zeigten, als weil es besonders passend gewesen wäre, wenn manGoethe mit Cicero vergleicht oder Johanna Ambrosius in einemAtem mit Homer nennt; und mit einem gewissen Trotz ergab er sichzuletzt (Homer " 1890, 1895) einer seltsamen Jnspirationsphilologie,die den einen unteilbaren Dichter bald anerkennt und bald auch nicht.

Wenn nun aber diese Natur, der es Bedürfnis ist, unauf-hörlich die Versatilität des Geistes zu erproben, irgend welchesdankbare Einzelproblem ergriff und in klassischer Form, wenn auchzuweilen nicht ohne einige Affektation des Stils, seineEssays"(zuerst 1859) schuf, dann gelangen allerdings monologische Plauder-stündchen von unvergleichlichem Reiz. Ein feiner Liebhaber schreitetin seiner Galerie umher, erzählt uns ebenso gern, auf welchenFahrten er dies oder jenes Bild erlangte, wie er von dem Bildeselbst spricht, giebt sich ungezwungen nicht nur in der momentanenStimmung, sondern auch in deren plötzlichem Wechsel, uud behältbei aller vornehmen Gastfreundschaft das Gefühl, daß er dem Lesereine Gefälligkeit erweise und eigentlich ihm noch viel mehr undBesseres zu zeigen habe. Er ist immer kritisch aufgelegt, undwenn er sich dem Kultus seiner Heroen, der großen Renaissance-künstler, Goethes, Jacob Grimms , Emersons weiht, fast am meisten;aber es ist die überlegene Kritik, die der Feinschmecker an dem ge-wöhnlichen Esser ausübt mehr ein Mittel, sich des eigenen Ge-nusses zu versichern, als eine erzieherische oder gar feindselige Übung.Die Paradoxie ist hier so nötig, wie nach den Theodiceen dieSünde: damit der Geist sich frei bewegen kann, muß er auch überdas hinausgehen dürfen, was er verantworten kann, Treitschke einenganz unpersönlichen Stil zuschreiben oder Schiller einmal bloß alsschlauen Schwaben auffassen.

Doch zumeist und namentlich in den früheren Jahren hält