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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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18501860.

Fast genau gleichaltrig stehen neben diesem Virtuosen derSubjektivität zwei andere Essayisten: Karl Hillebrand , der ob-jektivste nnter unseren Meistern dieser Gattung, und Friedrich Spiel-hagen, der seine leidenschaftliche Subjektivität in Objektivität um-zuformen sich immer vergeblich bemüht. Was dagegeu von denkürzeren Monographien der Historiker (besonders Treitschkes:Historische und politische Aufsätze", zuerst 1865, Bd. IV 1897;ferner von Theodor v. Bernhardt, Heinrich v. Sybel, Baum-garten, v. Noorden, Manrenbrecher, Kluckhohn, Heigel,D e l b r ü ck u. a.) uud Literarhistoriker (besonders ScherersVorträgeund Aufsätze" 1874; ferner von Victor Hehn , Rudolf Hilde-brand, Karl Bartsch, Michael Bernays, Erich Schmidt u. a.)Essay" genannt zn werden pflegt, das gehört vielmehr jener Gattuugder (mehr oder minder« volkstümlichen wissenschaftliche» Darstel-lung an, deren Hauptvertreter wie Helmholtz, dn Bois-Rey-mond, Rümelin, Zeller wir schon aufzählten: die schwankendeGrenzlinie zwischen Plaudern und Dotieren, zwischenCauserie"und Vortrag verschwindet hier fast stets, uud wir haben es mit metho-disch angelegten, nicht mit nach künstlerischen Gesichtspunkten geord-neten Arbeiten zu thun. Anderseits fallen etwa Freytags undBambergers geistreiche kleine Aufsätze oder Kürnbergers undFrenzels, Lindaus uud Mauthners Artikel fast durchweg demeigentlichen Feuilleton zu, wie die Franzosen und ihr SchülerBorne es begründet haben. Einzelne Stücke aus all diesen, großen-teils sehr wertvollen Sammlungen könnenEssay" heißen; aberihre Autoren sind nicht Essayisten von Beruf wie Gildemeistcr,Herman Grimm, Hillebrand. Karl Hillebrand selbst bezeichnetezwar später (1876) den Essay als dieeigenste litterarische Formunserer Zeit", aber er hob auch hervor, wie schwer die eigentlicheuGrenzen der Gattung einzuhalten seien; und gar am Ende unseresZeitraumes (1860) klagte Gildemeister, daß der deutsche Schrift-steller zu ausschließlich an sein Thema, zn wenig an Publikumund Kritik denke, um Macaulays reine Kunstform zu erreichen.Ich glaube, wir müssen es wohl bei unserer eugen Begrenzung derZahl deutscher Essayisten bewenden lassen.

Karl Hillebrand (18291884) ist neben Rudolf Lindau das größte Sprachtalent nnter unsern neueren Prosaikern. Der Sohneines Gießener Literarhistorikers, ward er wegen seiner Teilnahmeam badischen Aufstand eingekerkert, aber durch seine Schwester