594 1850—1860.
Friedrich Spielhagen (geb. 24. Februar 1829) ist einMagdeburger, ein Landsmann Karl Jmmermanns, der ein Erzählerund ein Pädagog, ein Charakter von fester Selbständigkeit und einDoktrinär war wie er. Wie Fontane ist er aber am Strande derOstsee, in Stralsund herangewachsen, und Meer und Küste bildenfür ihn immer den liebsten Boden der Erzählung. Er hat inBerlin nnd Bonn studiert, zuerst, wie alle Welt, die Rechte, später,wie so viele, Litteratur und verwandte Disciplinen. Er war offen-bar ein eifriger Student, und Citate sind ihm für die späterenRomane mehr als gut war hängen geblieben, daneben aber bliebihm auch eine gründliche Kenntnis der klassischen deutschen Ästhetiktreu. Vor allein haben Wilhelm v. Humboldts „Ästhetische Ver-suche", die der Student in Bonn antiquarisch kaufte, einen be-stimmenden Einfluß geübt; daneben besonders die theoretischenSchriften Friedrich Schlegels . Ju Leipzig (seit 1854) bereitetesich dann der junge Lehrer auf seinen Schriftstellerberuf vor, dener mit „Clara Vere" (1357) und „Auf der Düne" (1858) erfolg-reich betrat, um mit den „Problematischen Natnren" (1860) aufeinen Schlag eine herrschende Stellung zu erobern. In rastloserProduktion hat er sie zu behaupten, durch kritische und theoretischeArbeiten zn stützen gesucht; dennoch wird man zugeben müssen, das;„Quisisana" (1880) sein letzter großer Erfolg war, an den sich be-sonders seit dem bös betitelten Roman „Was will das werden?" (1886)ein starker Niedergang der öffentlichen Bewunderung Spielhagensanschloß. Gegenwärtig ist er als typischer Repräsentant einer be-stimmten, nach dem Urteil der Meisten überwundenen Epoche ebensomaßloßen Angriffen unterworfen, wie er einst übermäßig gefeiertwurde. Mehr als durch ein Sinken seiner Kraft ist der Umschwungdurch die allgemeine Veränderung des Kunstgeschmacks seit zwanzigJahren zu erklären.
Dieser Umschwung fand seinen ersten deutlichen Ausdruck durchdas sechste Heft der „Kritischen Waffengänge" von Heinrich undJulius Hart: „Friedrich Spielhagen und der deutsche Roman derGegenwart" (1884). Gegen den berühmtesten Vertreter dieserLitteraturgattung in jener Zeit werden hier Angriffe von großerSchärfe erhoben, die darin gipfeln, sein Roman sei „durch Didaxis,Moral, Reflexion und Tendenz in jeder Weise zersetzt"; er gebekein Weltbild, sondern nur ein künstlich durch Tendenzen und Re-flexionen verbreitertes beschränktes Familienbild; uud statt die