596 1850—1860.
und Zofe im Paradies bei dem ersten Herrn von Cloten gewesen.Objektiv ist diese karikierende Charakterzeichn nng sicherlich so wenigwie die, die Jeremias Gotthelf umgekehrt den liberalen „Schreibern"angedeihen läßt. Regelmäßig verliebt sich Spielhagen in seinenHelden und macht ihn unwiderstehlich, unvergleichlich; der geist-reiche Denker muß nebenbei ein glänzender Reiter, der große Künstlerein meisterhafter Pistolenschütze sein; Schönheit, hohe Fignr, wunder-bare Augen nnd Beredsamkeit verstehen sich ohnedies von selbst.Ebenso regelmäßig gerät er gegen die Gegner seines Lieblings ineinen blinden Haß und hänft alle üblen Qualitäten ans ihrenScheitel: der junkerliche Bösewicht muß auch noch feige, der jesui-tische Intrigant noch habsüchtig sein. Diese starke Anteilnahmeerstreckt sich ans die ganze Umgebnng, Die große Stadt, als Hei-mat des liberalen Bürgertums, liebt Spielhagen ; deshalb idealisierter sie, läßt in dem altmodischen Berlin Friedrich Wilhelms IV. prunkvolle Karossen die „Parkstraße" herabrollen, während nochheut die eleganten Wagen in der Tiergartenstraße zu zählen sind.Den Hof, als Mittelpunkt der konservativen Tendenzen, haßt er:deshalb flüchtet Friedrich Wilhelm IV. sich bei ihm zu einer altenDame von zweifelhaftester Art, um nur einmal der Öde des Hofeszu entgehen — des Hofes, den damals die geistreichsten Männerbelebten, Humboldt, Bunsen, Radowitz, Gerlach, Tieck !
Schon diese heftige Einseitigkeit seines Temperaments giebtden meisten größeren Erzählungen Spielhagens eine weitreichendeFamilienähnlichkeit; um so mehr, als wir den scharfen Richternauch das zugeben müssen, daß dem gefeierten Erzähler zwei Haupt-eigcnschaften, die gerade er von dem Epiker fordert, nur in spar-samer Dosis geschenkt wurden: Phantasie nnd Humor. Beengendwirkt weiter der Zwang einer strengen Knnsttheorie, die Spielhagenin mehreren Schriften voller Geist nnd Kenntnis (besonders „Bei-träge zur Theorie und Technik des Romans" 1883, 1897) nieder-gelegt hat. Dieser Mann von ausgesprochenster Subjektivität hattesich eine Theorie zurecht gemacht, die sein Temperament bändigensollte; nun fragte er sich doch, ob die Objektivität recht habe. Erbejahte es immer wieder — und machte praktisch der Subjektivitätimmer größere Zugeständnisse. Der Ich-Roman sollte die äußersteZurückhaltung des Autors ermöglichen; er ermöglichte die weit-gehende Ausstattung des erzählenden Helden mit Meinungen uudEigenheiten des Autors. So ging es überall. Seine Theorie und