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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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18S01860.

näher als einer früheren Generation. Gerade der seelische Anteilscheidet die Gcrhart Hauptmann, Schnitzlcr, Hirschfeld von deinanteilslosen Naturalismus der Holz und Schlaf, die alles mit demKopf machen wollen. Ihre Objektivität ist zwar auch aus SpielhageusKunstlehre getränkt; doch höher steht uns die Subjektivität, die ausseiner Kunftübung mitgelernt hat. Ein Schüler Spielhagens wieKretzer verbindet den Roman, der 1884 den stürmischen Bahn-brechern der neuen Richtung für abgethan galt, mit dem socialenRoman der jüngsten Entwickelung. Der Mensch, die Persönlich-keit in Spielhagen hat gesiegt. Seine Werke, was wir auch daranaussetzen mögen, sind uns lieb als Zeugnisse einer fenrigen Seele,die nichts Höheres kannte als ihre Kunst und deren Banner hoch-hielt in einer Zeit voll kleiner eitler Virtuosen.

Die gewinnende Persönlichkeit ist es auch, der zwei Alters-genossen Spielhagens nicht zum wenigsten ihre Beliebtheit verdanken Paul Heyse und Marie von Ebner-Eschenbach . Ihre Werke, künstle-risch vollendeter als Spielhagens stürmische Agitationsromane, hättenin einer Zeit, die Gottfried Keller lange übersah und von Fontane erst spät Notiz uahm, allein nicht genügt, um sie so erfolgreich zumachen; aber die Liebenswürdigkeit, der Zauber der schönen Seeleeroberten eine durch die Ansprüche, die Grämlichkeiten, die Eitel-keiten der Jungdeutschen und ihrer Nachfolger gereizte Generation.

Zwar Frau v. Ebner-Eschenbach hat selbst lange ringen müssen,ehe sie zu der gebührenden Anerkennung kam, die sich dann aberum so voller und rückhaltsloser ergoß. Marie von Ebner-Eschenbach (geb. als Gräfin Dubsky zu Zdislawitz iu Mähren 13. September 1830) sah ihre litterarischen Anfänge von zweigroßen Zeitgenossen mit Urteilen begleitet, die keineswegs auf ihrespäteren Erfolge hätten schließen lassen. Als die Gedichte derSiebzehnjährigen Grillvarzer vorgelegt wurden, vermißte er zwarnoch Reife, erkannte aber zutreffendGewalt des Ausdrucks, eiuevielleicht auch nur zu tiefe Empfindung, Einsicht und scharfe Be-urteiluugsgabe in manchen der satirischen Gedichte", und sah auch,daß es sich nicht um eine Dilettantin handele, sondern um eineAnlage,deren Kultivieruug zu unterlassen wohl kaum in dereigenen Willkür der Besitzerin stehen dürfte". Jedoch wohin dieseAnlage wies, vermochte der große Kenner der Franenseele nichtanzugeben. Die junge Comtesse warf sich inzwischen mit brennen-dem Ehrgeiz iu dieKultivierung ihrer Anlage".Es giebt kein