Marie v. Ebner-Eschenbcich.
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Pförtchen, das zu schriftstellerischem Ruhm führen kann, an dasich nicht gepocht hätte. Da entstand ein Epos aus der römischenGeschichte, es entstanden Lust- und Trauerspiele, Novellen undzahllose Gedichte." Aber für dies stürmische Geprassel unreiferJugendwerke gilt ihr tiefsinniges Wort: „Überprodnktivität ist einSchwächezustaud". Noch immer hatte sie ihre volle Kraft nicht.1860 sandte sie, nun mit einem tüchtigen Offizier, den sie auch zumSchriftsteller erzog (Moriz von Ebner-Eschenbach „Zwei WienerGeschichten" 1897) glücklich, wenn auch kinderlos, vermählt, ihrDrama „Maria Stuart in Schottland" an die Karlsruher Bühne,wo Ednard Devrient es gleichzeitig mit Otto Ludwigs „Makkabäern"anssührte. Aber Otto Ludwig selbst hat dem unbekannten jungenAutor, der „der Shakespeare des 19. Jahrhunderts" zn werdengehofft hatte, in einer ausführlichen (damals nicht veröffentlichten)Kritik grimmig den Pelz zerzaust; er sah nnr Schillersche Mache,meisterliche Maschinerie, doch als Erfolg nur — „eine knnstreicheEffektmausefalle". So mancher unbedeutende Altersgenosse warschon berühmt — Marie v. Ebner war noch so unbekannt wieTheodor Fontane . Endlich brach ein Buch ihr die Bahn, das siein ihrer ganzen Eigenart zeigte. Kein Drama mehr und auch keinGedicht — eine Erzählnng, und zwar eine Künstlernovelle mitpädagogischer Tendenz und satirischer Färbung: „Ein Spätgeborener"(1875). Es ist ihr eigentlicher Erstling: noch grell, zu laut iuden Farben, zu absichtlich; aber doch schon der rechte Ahne jenerlitterarischen Satiren, in denen Moritz Necker mit Recht den eigent-lichen Mittelpunkt ihrer ganzen Produktion erkannte.
Marie v. Ebner ist vor allem Erzieherin. Erziehungsromanesind nicht bloß Hauptwerke wie „Boöena" (1876), „Das Ge-meindekind " (1887), „Das Schädliche" (1894), „RittmeisterBrand" (1896), sondern eigentlich kann man all ihre Erzählungenhierher stellen. Tritt doch nicht selten, wie in den „Zwei Com-tessen" (1885), auch etwa in „Lotti die Uhrmacherin" (1883),die lehrhafte Kontrastiernng der belohnten Tugend mit der be-straften Untugend störend deutlich hervor; während sreilich in derMeisternovelle „Oversberg" (1883), dieser Perle feinster Er-zählungsknnst, das Unmögliche möglich gemacht ist: einen ganzvollkommenen „Mustermenschen" liebenswürdig, sympathisch undsogar interessant erscheinen zu lassen. Es ist kein Zufall, daß dieAristokratin Lehrer, Erzieher, Gouvernanten mit noch größerer Vor-