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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
Entstehung
Seite
605
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Marie v. Ebner als Nichterin. 605

hascherei auch noch ein Spitzbnbe sein? Das schreibende Hans aber,in das der gut und rund hingestellte Journalist Vogelweid (beidem wohl an Kürnberger zu deuken ist) gerät, erinnert mit dergrotesken Vollständigkeit aller schlechten litterarischen Moden etwasmehr an Benedix als an die große Künstlerin, die in derToten-wacht" (1894) oder inMaSlans Frau" (1897) die Mischung vongut und böse, herb und weich, Haß und Liebe in einer Seeleso meisterhast nachzufühlen und darzustellen verstand. Hier fühlenwir denn selbst bei ihr, die sonst die Gerechtigkeit der Liebe besitzt,was ihre bittere Parabel von dieser Tugend erzählt: daß die Ge-rechtigkeit uns Menschen eine Fremde bleibt, und was wir so nennennichts anderes ist alseine symbolische Darstellung der Notwehr, um-geben mit einer wunderlichen Mischung von Emblemen der Grau-samkeit und der Barmherzigkeit".

Aber auch in dieser strengen Einseitigkeit ist Marie v. Ebuer-Eschenbach die rechte Tochter ihrer Zeit. Ungerecht war Hillebrandgegen den neuen Roman uud Herman Grimm gegen Schiller,Lassalle gegen die Bourgeosie und Spielhagen gegen den Adel.Sie mußteu es sein. Das unsichere Schwanken zwischen Lebens-frende nnd Pessimismus ließ sich nur durch eine streng wählende,fest zugreifende Natur besiegen. Das Schöne schaffen und be-wundern konnte dieser kritischen Periode nicht genügen: die Abwehrgegen jede Störung des mühsam errungenen Ideals war nochNotwendigkeit. Und gerade diese Kämpferstellung schuf jene beidenGestalten, die wir als den reichsten Gesamtertrag der Zeit ansehen:gerade diese Notwehr gegen dasSchädliche" gab Marie v. Ebner-Eschenbach-und Paul Heyse das ganz, was Herman Grimm undSpielhagen zu absichtlich anstrebten, was Hamerling und Raabeüber der Nachahmung ihrer Muster verlernten: einen ganz indivi-duellen Stil nicht bloß des Schreibens, nein, der ganzen Per-sönlichkeit.

Paul Heyse (geb. iu Berlin 15. März 1830) hat nochschwerer als sein Freund Geibel an der ausgleichenden Ungerechtig-keit der wechselnden Generationen zn tragen. Weil er einst viel-leicht über Gebühr vergöttert ward, glaubt nuu jeder dilettantischeKritiker durch ein höhnisches Achselzucken den Fortschritt unseresKunsturteils über das früherer Zeiten beweisen zu müssen. Miß-günstig absprechende Urteile haben den noch in Krast und Schön-heit unter uns wirkenden Künstler fast zur mythologischen Figur