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18S0—1860,
des Daseinsgefühls", in der der Mensch „sozusagen alle Lebens-alter zugleich in sich erweckt, die lachende, spielende Kindheit, danndas erste Aufglänzen des Denkens und der Gefühle, die erstenJüngliugsschmerzeu, die Ahnung, was es um ein volles gesundesMannesleben sein müßte, und zugleich auch die Entsagung, die sonstnur ganz alten Menschen leicht zu werden Pflegt". Dies Bekennt-nis Balders (in den „Kindern der Welt") hat Brandes mit Rechtfür den Dichter selbst in Anspruch genommen. Deshalb ist ihmder Kampf mit den schwankenden Gestalten ein Lebensbedürfnis wieseinem göttlichen Dulder Odysseus :
„O seliges Wagen, o Heldengeschick!
Wie soll ich nun tragen ein ruhiges Glück?"
Schnull weht der Hauch vom Meere.
Deshalb trieb es ihu auch, wie alle echten Erzähler, von der ein-zelnen Novelle znr Sammlung mehrerer Erzählungen mit ver-wandten Motiven („Buch der Freundschaft", „Villa Falconieri",„Weihnachtsgeschichten") oder gleichem Kostüm („Meraner Novellen",„Troubadournovellen"); von da, wie Storm und Keller, zu derForm des Romans.
Die neue Bahn eröffnete er, wie bei den Novellen, gleich mitdem hervorragendsten Roman, der ihm gelang: „Kinder der Welt"(1873); es folgte rasch der romantische Künstlerroman „Im Para-diese" (1875), dann nach langer Pause der „Roman der Stifts-dame" (1886) und endlich „Merlin" (1892), ein Thesenstück, dasdie Unvereinbarkeit des dichterischen mit einein „bürgerlichen" Beruf,die Schlechtigkeit der „Juugen" in der Kunst und einige verwandteLieblingsideen Heyses mit gänzlicher Nichtachtung von Psychologieund Beobachtung der Wirklichkeit zu erweisen strebt. Zuletzt kamnoch „Über allen Gipfeln" (1895).
Die beiden Romane der siebziger Jahre dürfen dem Wertvollstenzugerechnet werden, was wir von solchen Werken größeren Stilsbesitzen. Wohl hat auch in dem bestgelungenen, den „Kindernder Welt", der Novellist dem Romanschriftsteller im Wege gestanden:das Interesse des Autors erlahmt nach dem Höhepunkt, uud ineiner vortrefflichen Analyse hat Paul Lindau gezeigt, wie derDichter von da ab eigentlich nur noch Wirkuugen verdirbt, diesein energisch vorwärts drängendes Erzählen bis dahin zur Reifegebracht hatte. Aber es ist eiu reiches, ein schönes und eintapferes Buch. Man hat ihm vorgeworfen, daß Heyse , als eine