Heyses Romane und Tramen.
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„in eine reinästhetische Sphäre gebannte Natur", statt der „Tota-lität", die Spielhagen geben will, mir einen engen Ausschnitt ausder „Gesellschaft" schildere. Mir scheint doch dieser Ausschnitt mannig-saltig genug; neben der Selbstkultur kommen Philosophie und Re-ligion, Kunst und Politik zwanglos durch das Hauptinteresse ein-zelner Figuren zum Wort, und nur der intrigierende JesnitLorinser erinnert an die gewaltsame Mache des jungdeutschen Ro-mans. Von diesem aber und auch von Spielhagens meisten Büchernunterscheiden sich die „Kinder der Welt" durch sichere Zeichnunglebensvoller Gestalten. Die Klavierlehrerin mit ihrer verhaltenenGlut und der öffentlich beredte, daheim stockende Franzelius, auchanekdotische Figuren wie der „Zaunkönig" mit seiner zähen kleinenKunstliebe sind „geschaut" und nicht bloß konstruiert, wie derIntrigant und wie die „Theaterpriuzessin" Toinette, die Erbinder Mignonrolle, es allerdings sind. Auch die Hauptfigur, Baldcr,dessen Philosophie sich zu so schön-wehmütigen Liedern läutert,ist wahr und bedenteud zugleich. Heyse hat zwei Modelle iuihm verschmolzen: den Weltschmerzdichter Leopardi , dessen der seineabsolut entgegengesetzte Natur ihu immer wieder anzog und be-schäftigte, und seinen liebenswürdigen, tiefsinnigen, aber von frühauf kränklichen und fchmerzensvollem Tode geweihten SchwagerJohannes Kugler (1840—73), der in einem köstlichen kleinenBuch („Im Fegefeuer", herausgegeben von Adolf Wilbrandt 1874)das Gruudproblem seiner Zeit dichterisch gestaltet hat: den Kampfder nach Lebensfrende dürstenden Seele mit Pessimistisch stimmendenErfahrungen — den Kampf Balders. — „Im Paradiese" ist einZeitroman uur im geringeren Sinne des Wortes: die geistreicheSchilderung der Münchener Knnstwelt in den siebziger Jahren.
Stand der Novellendichter dem Romanschriftsteller im Wege,fo konnte man für den Dramatiker von ihm Hilfe erwarten. Dasscharfe Herausarbeiten einer Hauptsituation ist der Novelle und demDrama gemein; und es fehlt auch nicht einem kurzen, packendenEinakter wie „Ehrenschulden" (1882). Im ganzen ist aber HeysesLiebe zum Drama doch eine unglückliche. Seine zahlreichen Tra-gödien gehen wie ein wohlarrangierter Wechsel schöner Grnppenunter melodischem Flötenklang kühl uud fremd an uns vorüber;es fehlt die Wärme des Einfühlens, die Kraft des Mitreißens.Volksstücke wie „Hans Lange" (1866) und „Colberg" (1868)haben dennoch zünden können, weil der Autor hier mit glücklicher