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18S0—1860.
„Malern") in einer Zeit voll gespannten Ernstes bezauberteu,wie zwanzig Jahre früher Freytags „Journalisten ", mit denensie sich aber in der Kunst wirklicher Charakterzeichnung nichtvergleichen konnten. Die „Jugendliebe" hat man den König unterden deutschen Einaktern genannt; ich könnte das doch höchstens injenem Sinne gelten lassen, in dem unter Blinden der EinäugigeKönig ist. Denn alle Niedlichkeiten des Dialogs machen doch ausdiesem so rasch und sicher erzogenen Backfisch noch keine lebens-volle „bezähmte Widerspenstige", uud die alte Lustspielposse derschwerhörigen Tante und der übers Kreuz lauschenden Liebespaareentschädigen nicht für die konventionelle Hohlheit des unwider-stehlichen Liebhabers aus der Familie vou Freytags Fink. Aber dieBändigung liebenswürdig-ungezogener Mädchen betreibt Wilbrandtnun einmal so eon amors — man denke nur an Kläre in der „Oster-insel " und ihren „Löwen" — daß man dem reizenden Spiel mitVergnügen zuschaut. Höher stehn die „Maler", in denen sich diealte Künstlerfröhlichkeit der Romantik — Eichendorff ist auch sonstein Liebling Wilbrandts — mit realistischer Anschauung desMüuchener Treibens paart. Auch dies Stück ist gauz auf dieEntfaltung der weiblichen Hauptfigur gestellt, die aus einem „gutenKerl" ein liebendes Weib wird — wieder eine Art Erziehung.Aber leider steht ihr eine durchaus unwahr theatralische Gegen-figur mit dem verhängnisvoll pompösen Namen „Leonore" gegenüber.
Man glaubte den Dichter schon für ein bestimmtes Fach ein-gesangen zu haben. „Das, das ist dein Feld! Lustspiele! Heiteres!Humor!" hörte er sich zurufen. Er wußte es besser; er verstaub,daß „die wieder aufblühende Phantasie sich mit heilsamem Instinktfür das Leichte, Heitere, Versöhnende erwärmte", und der guteArzt gönnte sich die notwendige Übergangsdiät. Wohl ist er auchspäter noch gern, ob auch nicht mit dem früheren Erfolg, zumLuftspiel zurückgekehrt, zur Novelle und znr an die Humoreskegrenzenden Charakterschilderung („Fridolins heimliche Ehe", diereizvolle Umdichtnng des Kunsthistorikers Friedrich Eggers , derdem Kuglerschen Hanse befreundet war, in einen liebenswürdig-humoristischen weltlichen Domherrntypus). Aber er wollte keines-wegs schon für „ausgeglichen", „beruhigt ästhetisch" gelten, undsich schon in einer „inneren Harmonie" abschließen. Gerade imGegenteile fortwährendes aufgeregtes Mitlebcn in großen Problemen,in den ewigen wie denen des Tages — das lockte ihn, das ward sein