Wilvrcmdts erste Periode.
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Glück. Daran reifte er, wie der junge Musiker in der „Oster-insel ", vom Eichendorffischen „Taugenichts" zum ernsten Kompo-nisten größeren Stils heran. Im Roman wie im Drama trat ermit ernsten und bedeutsamen Werken neben die Besten — keinNeuschöpfer uud kein Neudenker, noch weniger aber ein Mitläuferder Virtuosenhaften Routine, rückte er langsam, aber sicher auf dieStelle, die solchem leidenschaftlichen Ernst der Seele bei solcherbezaubernder Grazie der Form gebührte.
Seinen ersten Roman, „Geister und Menschen", hat Wilbrandtspäter mit liebevoller Ironie „ein wundervoll mißratenes Buch"geuannt. Es steckt schon der ganze Wilbrandt darin. Freilich!was steckt nicht darin! alle Aktualitäten der Welt: die dänischeFrage und der Spiritismus, die Umwälzungen im Bankwesenund die Diskussionen über die Todesstrafe. Die Grundidee, dieErziehung eines dilettantischen Malers zum thatkräftigen Staats-bürger, geht in dem Wust der Abenteuer völlig verloren; aber wiegesund ist sie und wie bezeichnend! Daneben trifft man schon hierjene reizenden Epitheta, die Wilbrandts Specialität werden: die„unerledigten Baronessen", wie später „sein blondes Herz" — auchJohannes Kugler spricht von einer „blonden Stimme" — die „über-lebensgroßen Worte"; schon hier die fröhliche Suada dieser liebens-würdig verführerischen Haupthelden; schon hier den tapferen Opti-mismus, der die „Zukunftsmenschen" auf die „Entwickeluug allerKräfte" hinweift und — fast in der Art des „Bandes" in Goethes„Wandcrjahren" — eine Genossenschaft stiftet, die „die Menschenfür Schönheit, für Sitte, für Thätigkeit und Verstandesübung undznletzt — für Eintracht" gewinnen soll.
Nach jener langen Pause voll leichterer Novellen und Romane(„Meister Amor" 1880) folgt, gleichzeitig mit dem Hauptdrama,eine neue, bedeutsame Reihe von „Gedankenromanen". Der Ansdrucksoll uicht abschrecken; wohl beherrscht fast jeden dieser Romane einGedanke von oft recht abstrakter Natur als eigentlicher Hauptheld,aber fast immer verkörpert er sich dem Autor doch in lebensvollenFiguren. Um starre Allegorien in Hebbcls Stil hinzuschreiben,hat dieser nervöse Beobachter viel zu viel Vergnügen an den „un-zähligen kleinen Seltsamkeiten, durch welche die Natur ihre Ge-schöpfe zu unterscheiden liebt". Einer wiederholt seine letzten Worteimmer: „ich hab' nicht ein einziges Bild! nicht ein einziges Bild";einem anderen ist das Bedürfnis, ein großes Landschaftsbild durch