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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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633
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Wilhelm Busch , 633

formell stark beeinflußt, den Busch auch in der Uberschriftlosigkeitder einzelnen Stücke nachahmt. Aber daneben finden sich einpaar vortreffliche Fabeln, die an die alten gemütlich-humoristi-schen Fabeldichter wie Pfeffel und Lichtwer erinnern, und einpaar ernste rein lyrische Gedichte, die schwächeren etwas pomphaft,die besseren von rührender Schlichtheit. Im ganzen überwiegtunzweifelhaft die Reflexion, und sie gipfelt in Bekenntnissen wiedies:Der Schmerz ist Herr und Sklavin ist die Lust". Sym-bolisch malt Busch seine ganze Weltanschauung in dem folgendenGedichtchen:

Es sitzt ein Vogel auf dem Leim,Er flattert sehr und kann nicht heim.Ein schwarzer Kater schleicht herzu,Die Krallen scharf, die Augen gluh.Am Baum hinauf und immer höherKommt er dem armen Vogel näher.Der Vogel denkt: Weil das so istUnd weil mich doch der Kater frißt,So will ich keine Zeit verlieren,Will noch ein wenig quinanilierenUnd lustig pfeifen wie zuvor.Der Vogel, scheint mir, hat Humor.

Das wäre denn also ein Humor der Verzweifelung, die dieAugen vor dem unabwendbaren Elend schließt und singt wiewenndie Kinder sind im Dunkeln". Nicht minder erfüllt die beidenletzten Schriften Buschs ein bitterer Galgenhumor: die symbolischenProsamärchenEduards Traum " (1891) undDer Schmetterling"(1895) ironisieren den idealistischen Phantasten, der ausruft:O wieschön ist doch die Welt!" und dabei den Stellwagen nicht bemerkt,der ihm nun ein Bein abfährt, oder der auf der Jagd nach demunbekannten Schmetterling vollends zum elenden Krüppel wird.

Dennoch darf man sich nicht vorstellen, der Autor, über dessenBücher in Deutschland wohl am meisten und stärksten gelachtworden ist, habe immer nur Verse und Karikaturen gemacht, umsich von der Angst des Daseins zu befreien. Ganz unzweifelhaftsitzt neben dem pessimistischen Grübler, der freilich zuletzt dieOberhand gewonnen hat, ein Virtuos des unmittelbaren, des sub-jektiv notwendigen Lachens. Seine Produktivität gewährte ihmnicht nur Trost, sondern auch ganz unvermittelt Vergnügen. Undzwar war es das Vergnügen des Lernens, des Beobachtens. Diegroße Freude am Studieren des Lebens, die einem Nietzsche , die