634 1860—1870.
Freude an der Existenz selbst entbehrlich macht, kündigt sich hierschon bei einem Mann an, den neben dem großen Denker zu nennenvielleicht Sakrileg scheint. Dennoch beruht hierin seine ganze Kraft:in der Kunst, genau zu beobachten und die tausend wechselndenBewegungen des Lebens auf ein paar große Linien zu reduzieren.Das giebt Busch etwas, das in dieser ganzen Zeit der hübschenTalente kaum einer noch erreichte: einen wirklich persönlichen Stil.Zunächst in der Zeichnung. Er bevorzugt, wie die meisten Kari-katurenzeichuer, bestimmte extreme Typen: den ganz Dünnen undganz Dicken (bei seinen beliebten Brüderpaaren treten sie gewöhn-lich nebeneinander auf), die fabelhaft spitze und die kugelig rundeNase; die gemütlich behagliche Hausfrau und die alte Hexe. Ereilt gern gewissen Situationen zu: der Prügelei, bei der womöglichBlut fließen muß, oder der zärtlich-grotesken Umarmung; er liebteinige besonders dankbare Nuancen des Gesichtsausdrucks: dieSchadenfreude, das dumme Zuglotzen, die erschreckte Überraschung.Aber das alles paßt zusammen und giebt eben eine Welt, wie sieder Pessimist sich vorstellt: in der die Menschen, die Handlungen,die Motive der Handlungen wie die Melodien einer Drehorgel sichmit geringen Variationen immer wiederholen und immer durch ihreinnere Bedeutungslosigkeit zu der Wichtigkeit, die der Betroffeneihnen beilegt, einen komischen Kontrast bilden. Diese einheitlicheGrundanschauung hat der Text nur noch herauszuarbeiten. Es kommtihm keineswegs darauf an, überraschende Geschichteil zu ersinnen,wie es der von Fr. Th. Bischer nicht eben glücklich mit Busch ver-glichene Schweizer Töpsfcr thut; es kommt ihm noch weniger daraufan, das Momentane in seiner Eigenart scharf festzulegen, wie dervon unserm Ästhetiker in dem gleichen Aussatz so unglaublich unter-schätzte Franzose Gavarni es liebt. Sondern typische Figuren er-leben typische Schicksale — gerade wie im Volksmärchen. Derheilige Antonius, Pater Filucius, die sromme Helene sind fürBusch drei Typen der Scheinheiligkeit — und an wirkliche Heiligkeitglaubt er eben nicht; der Dichter Bählamm (1883) und der MalerKlecksel (1884) sollen Künstlers Erdenwallen in grotesker Über-treibung, aber doch immer typisch illustrieren. Es gilt also immerdas Typische herauszuholen, und in der Kunst der Vereinfachungsticht Busch seinen Meister. Man denke nur an jene in den Bettenhalbversteckten Kinder- und Frauensiguren — wieder ein Lieblings-motiv — die mit zwei, drei Linien uns die vollkommenste Illusion