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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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Buschs künstlerische Bedeutung.

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nicht nur des Lebens, sondern der Bewegung geben. Überhaupt istBusch unerreicht in der Darstellung von Bewegungen. In einerZeit, in der Kaulbach, Piloty, Makart die Menschen in einer be-stimmten Pose erstarren lassen mußten, um sie malen zu können,ward er der erste Virtuos des Momentbildes eben wieder weilsür das menschliche Leben Bewegung typisch ist und nicht Ruhe.

Nirgends tritt diese symptomatische Eigenart Buschs stärkerhervor als in seinen berühmten Sentenzen. Karl von den Steinen ,der berühmte Geograph, erzählt, wenn auf langen, staubigen Seeleund Körper abmattenden Wanderungen in der Wildnis Amerikas der Geist ganz in Lethargie zn versinken drohte, habe ihn nichtsso belebt, wie diese Sprüche zu citieren:

Es ist ein Brauch von alters her:Wer Sorgen hat, hat auch Likör

oder:

Denn hinderlich, wie überall,Ist hier der eigne Todesfall

oder:

Wer sich srent, wenn wer betrübt,Macht sich meistens unbeliebt

und so Viele andere weise Aussprüche. Was ist eigentlich in ihnendas Wirksame? Doch wohl das Parodistische, mit dem Selbstver-ständliches oder aber höchst Anfechtbares als tiefe Wahrheit vor-getragen wird:

Musik wird oft nicht schön gefunden,Weil sie stets mit Geräusch verbunden.

Die Autoren dieser Zeit trieften vielfach nur so vou Weisheit;an Gnomen und tiefsinnigen Bemerkungen wurde wieder fast soviel geleistet wie in der Zeit des Jungen Deutschland , an die dieseauch sonst vielfach erinnert. Wilhelm Busch stellt diesen anspruchs-vollen Dichtersentenzen die plattkomische Sentenz im Holzschnittgegenüber und hat die Lacher auf seiner Seite.

Anch in anderer Hinsicht bedeutet er den Anbruch einerReaktion gegen die herrschende litterarische Mode. Die Formvoll-endung des Münchener Kreises hatte dem jungeu Maler in derbayrischen Hauptstadt auch in schwächeren Exemplaren begegnenmüssen. Heyse, Storm, selbst Spielhagen sie vertraten alle eineGlätte, eine Eleganz, die dem Pessimisten eineRuchlosigkeit"scheinen mochte. So kam er zu seinen Versen, gerade wie der vonihm verehrte C. A. Kortum (17451824) in der unsterblichen