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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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Treitschkes Persönlichkeit,

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zeugt, kein vernünftiger nnd ehrlicher Mann könne eigentlich andersdenken als er. So ganz ging er in seinen Überzeugungen auf, undder eigene Umschwung vermochte ihn nie zu beirren. Wohin erauch marschierte er zog allemal mit seiner ganzen Heeresmachtaus, gerüstet, kampffreudig, bereit zu siegen oder zu sterben; undso gab er in einer Zeit voll Pessimismus, Weichlichkeit, Blasiertheitein großartiges Beispiel. Seine Persönlichkeit wurde ein Faktor inDeutschlands Entwickelung.

Als Mann des Kampfes, als Prophet der nationalen Idee,als Förderer und Vorempfinder der hohen Freude an dem Glückeines aussteigenden Volkes steht Treitschke an erster Stelle unterdenen, ohne die die Regsamkeit, die Hoffnungen, die Gewißheitendes geistigen Deutschland von heute nicht denkbar wären. Noch-mals ist hier auch an Felix Bahn (geb. 1834) zu erinnern undan das Beste in ihm: seinen feurigen Patriotismus, der etwas Poesiein seine schwächsten und absichtlichsten Schöpfungen bringt; und anZeitgenossen Treitschkes wie Björnstjerne Björnson (geb. 1832),dessen leidenschaftliches Kämpfertemperament, dessen Einseitigkeitenund Schroffheiten wie die volle Ehrlichkeit seiner Natur und seinesIdealismus an Eigenschaften unseres Historikers ihr Gegenbild finden.

Dieser Gruppe kämpsender, verkündender Naturen steht eineandere gegenüber, die aus dem vorigen Jahrzehnt noch eine ge-wisse Lässigkeit geerbt hat, ein behagliches Specialistentnm. WieDühring, Haeckel, Treitschke , rechnen auch sie mit den Realitäten mit der Realität des Publikums vor allem. Im ganzen istes keine sehr sympathische Gruppe. Das ist ihr Verdienst, daß siedie Fühlung des Autors mit dem breiteren Publikum wiederher-stellen, die die exklusive Salonlitteratur verschmäht hatte; das istihre Sünde, wie wenig Skrupel manche von ihnen in der Auswahlder Mittel hegten. Das gilt nicht für alle. Wilhelm Jensen (geb. 1837, aus Heilighafen in Holstein ), den wir schon unter RaabesSchülern nannten, besitzt das Geheimnis, in einer Produktionvon unheimlicher Fülle immer ein vornehmer und immer einliebenswürdiger Künstler zu bleiben; eben deshalb gehört er, dersich auf allen Gebieten des Romans und der Novelle, als Lyrikerund natürlich auch im Drama versuchte, nicht ganz in diese Gruppe.Aber die bewußten Specialisten! Da ist Hans Hopfen (geb.1835) aus München , ein kräftiges energisches Talent, durchjenesunschätzbare Teilchen gesundheitbezeugender Roheit" (um einen Aus-