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1860—1870.
Seine Gestalten sind nie Bezwinger, stets Bezwungene. Aberein „(Zloria victis" klingt, leise doch vernehmlich, durch all seineDichtungen. Wenn er auch „die erste Arbeiternovelle" verfaßt hat,den „Steinklopfer" (1873) — zu eben der Zeit, hebt Minor her-vor, als sich Anzengruber aus deu Steinklopfern seinen Liebliugs-philosophen Hans holt —, einen Vorläufer der „Moderne" hätteman diesen Romantiker nie nennen sollen. Nicht auf Wirklichkeits-bilder von täuschender Kraft legt Saar seine Bücher am Stimmuugs-bilder, am liebsten mit leicht altmodischer Färbung, giebt er, unddas Blinde Kuh-Spiel in „Marianne", wohl das lieblichste Genre-bild aus dem vormärzlichen Österreich , das wir besitzen, ist für ihnungleich charakteristischer als jener fast zufällige Griff in modernesArbeiterelend.
Romantiker ist er auch in der Lyrik, und jene „WienerElegien", die so liebevoll das alte Wien in das neue hinein-zeichnen, bilden die Krone seiner Dichtnng. Auch in den Gedichtenverleugnet sich das mild-melaucholische Temperament nicht, das dieTelegraphendrühte im Windhauch zur „Äolsharfe dieser Welt" um-dichtet und in der „Nänie" die Kunst als tot beklagt, so viel sichauch der Virtuosen regen. Sobald er sich aus der Sphäre derelegischen Lyrik entfernt, erkennt man in der mißglückten Reflexions-dichtung den feinen Künstler nicht wieder. Und ebenso mußte erim Drama scheitern. Daß die Bühnenwirksamkeit fehlt, gestehenselbst seine wärmsten Verehrer zu. Aber auch die Psychologie kannnicht genügen: zu sehr ist Saar an die ruhige, vornehme Stilledes Gespräches mit seinen Schattengüstcn gewöhnt; an das helle,laute Tageslicht gezerrt, werden sie leicht konventionell. Da wirdder welthistorische Gegensatz zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. durch das kleinliche Motiv der päpstlichen Eifersucht verdorben; inden socialen Tragödien „entspricht die bequeme Technik dem no-vellistischen Inhalt", und nur Einzeistudien tragisch herabgleitenderFiguren retten den Dramen poetische Bedeutung.
Wie Wiener Einflüsse auf Saar , so haben altheimische schwä-bische Einwirkungen auf Wilhelm Hertz (geb. 24. Sept. 1835)aus Stuttgart die Originalität der Natur und des Temperamentsnicht zerstören können. Philosophische Dichtung ist in der HeimatSchillers nie ausgestorben, und der Ton von Uhlands Balladenebensowenig. Daß bei Hertz Nachwirkungen des Heinischen Rhyth-mus („Mein Herz ist ein stiller Tempel") begegnen, versteht sich