674 1860—1370.
Vertrauen aus die Kraft der natürlichen und eben deshalb auchberechtigten Bedürfnisse und Ansprüche des Menschen läßt den über-legenen Humor Herr werden über diese tragischen Ansätze. — Auchim „Gewissenswurm" ist Anzengruber Anwalt des natürlichen Mutter-witzes gegen die Ansprüche eines unversöhnlichen Puritanismus.Ein reicher Bauer hat eine Jugendsünde auf dem Gewissen; erb-schleicherisch benutzt sie sein Schwager, der Düsterer, um den ge-alterten Mann fortwährend zu ängstigen und unter sein Joch zuzwingen. Als der weichherzige Grillhofer sich aber endlich aufmacht,um sein armes Opfer aufzusuchen, trifft er statt des erwartetenblassen Weibes einen rechten Drachen von herrschsüchtiger Banerin,die ihn auf einmal aus der Angst in gesunde Aussöhnung mitdem Leben jagt. Es ist eine prachtvolle Scene; und würdig stehtihr die zur Seite, in der der bäurische Tartllff, den die Banerndurchprügeln wollen, ihnen „a Dispens vom Konsistori" vorzeigt:„Manna, ich därf net g'haut wer'n!"
Aber der eigentliche Triumph gesund-natürlicher nnd eben des-halb anch volkstümlicher Auffassung ist der wundervolle „Doppel-selbstmord". Zwei Bauern leben in unbegründeter Feindschaft.Auf ihr Verhalten paßt so recht das ständige Urteil des einen,des Armen, über alle Dinge: „is a Dummheit"; aber diese Dumm-heit droht das Lebensglück ihrer Kinder zu vernichten. Die liebensich treu und passen zn einander und verloben sich, wie die Brantmit der ganzen bedenklichen Sittsamkeit eines frommen Jüugferleinsfeierlich versichert: „alles anderne für spoter'm heilig'n Eh'standüberlassen". Da nun aber weder der großartige reiche Sentnernoch der verärgerte arme Hauderer ihr Bündnis wollen, so nehmensie sich resolut ihr Recht und „gehn, sich selbst auf ewig zu ver-binden". Die Väter in ihrem schlechten Gewissen suchen angstvolldie vermeintlichen Selbstmörder — und wieder wird die pathetischeErwartung köstlich enttäuscht, indem sie das junge Paar auf derAlm treffen, wo beide jauchzend ihre heimliche Hochzeit gefeierthaben.
Nicht ganz auf der Höhe dieser drei Prachtstücke steht das„Juugferngift", die bäuerliche Erneuerung eines alten, schon indem italienischen Theater der Renaissancezeit behandelten Schwank-motivs: ein dnmmer Freier, dem sein Reichtum gute Aussichtenschafft, wird abgeschreckt, indem man ihm einredet, seine Braut seimit einem Fluch belastet, der den ersten, dem sie bräutlich naht,