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Popularität an, die ihm seitdem treu blieb. Es giebt iu Deutschlaudvielleicht keinen Autor, der eine so mit dem ganzen Herzen an ihmhängende Gemeinde besäße wie Rosegger . Sein fünfzigster Geburtstagward für seine engere Heimat, die schöne Steiermark, fast ein National-festtag; man schenkte ihm ein Haus in Graz , „ein schlichtes Dichter-heim mit rebenumsponuenem Giebel, dort wo der reichgeschmückteSaum der Stadt die Wiesen und Wälder der grünen Mark be-rührt"; „wochenlang brachte jeder Tag neue Kundgebungen".
Zweierlei trifft zusammen, um Rosegger seine eigenartige Be-deutung zu geben: er ist ein merkwürdiger Didaktikcr, er ist einunvergleichlicher Erzähler.
Nicht in den Dialektdichtungen ist seine Bedeutung zu suchen.Auch die besten („Stoausteirisch" 1885) bleiben hinter der liebens-würdigen Grazie Stielers, der Kraft des alten Kobell, der Origi-nalität Stelzhamers zurück; der Inhalt drückt überall die Gebindeentzwei wie ein aufquellender Packen die leichten Weidenstäbe einesKorbes. Wo er sich an die volkstümliche Art eng anschloß, konnteihm wohl einmal ein hübscher Fund glücken, wie jenes berühmte„Darf i's Diandl lieben?" Hcnschels Zeichnung und vor allemKoschats Komposition haben das nette Gedichtchen, das selbstAnzengruber in seinen „Pfarrer von Kirchfeld " einlegte, beinaheso populär gemacht, wie Neszlers Weise Scheffels „Behüt' dichGott, es wär' so schön gewesen — behüt' dich Gott, es hat nichtsollen sein". Aber schließlich ist es doch auch hier der aumutendvorgebrachte, gesunde Gedanke, an dem wir nns freuen; an denGstanzln ist nicht viel. Und seine hochdeutschen Gedichte —Anzengruber schrieb ihm einmal: „Ich weiß, Sie sind selig, wennman Ihnen ein hochdeutsches Gedicht lobt". Rosegger wäre darüberwahrscheinlich nicht so glücklich, wenn man es öfter thun könnte!
Aber der Didaktiker! Hier können wir wieder einmal sehen,wie unmöglich es ist, die didaktische Poesie unbedingt zu verbieten:wo die Lehrhaftigkeit, wo das Bedürfnis, selbsteroberte Anschau-ungen zu vertreiben, zur Leidenschaft wird, da wirkt sie poetischwie die eine Seele ganz erfüllende politische Tendenz. Rosegger nun ist eine im höchsten Grade nervöse Natnr. Nervös ist vorallem auch die Art seiner Produktion. Er arbeitet eiu Buch imKopfe aus:
Dann schneide ich mir Kanzlcipnpier in Quartblntter, deren etwa süns^hundert Ztücke. DaS Blatt wird nur auf einer Seite beschrieben und