Print 
Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
Place and Date of Creation
Page
684
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image
 
  

684

1860-1870.

links ein Rand freigelassen. Ich beginne die Schrift Anfang des Jahres1894, und in drei Monaten ist das Werk fertig. Ach, fertig! Jetzt beginnterst das schwere Arbeiten, die erste Niederschrift war ja nur ein freudigesSchaffen, ein fast leidenschaftliches Selbstgenießen dessen, was innerlich lebendiggeworden. Allerdings war ich während der Zeit für alles andere nicht vor-handen. Wenig Eßlust, wenig Schlaf, nicht das mindeste Interesse für äußereEindrücke aus Gesellschaft, Natur oder Kunst, ganz unfähig für Geselligkeit,nur allein sein mit dem Gegenstande. Eine glückselige Zeit, aber man wirdsehr mager dabei.

So schreibt nur ein Mann, der alles miterlebt, was erdichtet; dem das Schreiben nur eine intensivere Form des Erlebensist. Und dies leidenschaftliche Miterleben macht ihn zu dem merk-würdigen Didaktiker, der er ist.

Pfarrer wollte der Knabe werden; und geistlichen Freundengegenüber hat er sich auch später noch auf das priesterliche Amtberufen, das im Dichterberufe liege. Aber der Prediger soll überseiner Gemeinde stehen. Besser trifft es, wenn Auerbach einmal zuihm sagte:Förster sind wir Dichter alle, Förster und Heger imgroßen Menschenwalde". Solch ein Förster und Heger ist vorallen Noseggcr. Er ist ein Waldschulmeister. Von der Natur,der wachsenden, dauernden, verdorrenden zu lernen und weiter zuerzählen, was er da gelernt das ist seine Art der Didaktik. Esist nicht sowohl eigentlich ein Lehren, als ein Vorlernen; die Lehr-haftigkeit wird ganz in erzählte Handlung aufgelöst.

Das giebt den hierhergehörigen Hauptwerken Noseggers (DieSchriften des Waldschulmeisters " 1875;Der Gottsucher"1883,Das ewige Licht" 1897) ihre Eigenart. Rosegger schasstsich eine Gestalt, die bei aller Verwandtschaft mit seinem eigenenWesen doch in ganz bestimmte Verhältnisse hineingestellt wird:ein Lehrer, ein Pfarrer. Diese läßt er nun ein ganzes Lebendurchleben und alle die Probleme, die den Autor selbst erregen, inGestalt wirklicher Erlebnisse an sie herantreten. Wenn das un-gefähr die Art didaktischer und pädagogischer Romane auch sonstist, so pflegen diese doch ausnahmslos jedes derartige Erlebnis zubenutzen, um nun in Form von Gesprächen, Tagebuchnotizen oderauch direkter Einmischung des Verfasfers reine Lehrhaftigkeit her-vortreten zu lassen. Bei Rosegger bleibt diese ganz im Hinter-grund. Er giebt statt der Lehren Beispiele und statt der Ermah-nungen Typen. Wie in volkstümlichen Fabeln muß die Handlungselbst belehrend wirken. Die zügellose Wildheit verkörpert sich ihm