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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
Entstehung
Seite
685
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Roscggers Erzählerkunst. 685

im Kohlenbrenner-Matthes; oder die Gefahren der Missionspredigtnnd des Beichtsiegels werden in packenden Einzelfällen anschaulichgemacht. Die haben aber nichts Konstruiertes; und auch jene Typenstehen in voller Realität neben anderen originellen Figuren, nebendem Glasfresser und dem improvisierenden Rüpel imWaldschnl-meister" oder dem frommthuenden jüdischen Konvertiten imEwigenLicht".

So stark aber die didaktische Absicht hinter der Erzählung zu-rücktritt sie bleibt lebendig und wirksam. Rosegger selbst hatsie nie geleugnet. Sie stellt sich bei jedem größeren Werke ein.Das ewige Licht" ist fast ganz ein Experimentalroman über dasEinziehen desmodernen Geistes" in eine idyllische Welt, dasRosegger sehr Pessimistisch auffaßt; nndPeter Mayr, der Wirtvon der Mahr" (1893) ist fast mehr noch ein didaktischer als einhistorischer Roman: die Verherrlichung des Tiroler Freiheits-kämpfers, der, ehe er eine verzeihliche Notlüge spricht, lieber unter-geht, liegt dem Autor mehr am Herzen als die Schilderung desGegenständlichen. In keinem seiner Bücher sinkt er so unter seinesonstige Virtuosität des Erzählens herab wie hier. Aber der Grundist eben die Begeisterung, mit der er seinem Helden folgt, ihnimmer im Auge hat; und diese Lebhaftigkeit zieht uns mit.

Sie macht ihn aber sonst zu dem Meister der einfachen Er-zählung darin hat er kaum seinesgleichen. Eine Geschichte nachguter Urvätersitte einfach zu erzählen, weil sie ihn interessiert unduns interessieren soll, schlankweg ein merkwürdiges Abenteuer insLicht stellen das ist seine größte Kunst. Es scheint alles soeinfach. Man fängt eben mit einer Zeit- und Ortsangabe an,läßt die Personen auftreten, ein Stückchen Leben durchmachen undschließt mit einer kleinen Betrachtung. Gewinnt die Erzählungeine größere Ausdehnung, so helfen die alterprobten Knnstmittel, diedie fahreuden Leute des Mittelalters schon kannten. Etwa die be-stimmte Zahl: der lustige Karl wettet, drei Tage laug wolle ervon jedem beliebigen Hanse, das seine Freunde ihm nennen, zuTische geladen werden. Der Hörer freut sich gleich, drei Geschichtenin einer zu bekommen, und seine Spannung wächst mit der Näheder Eutscheidung. Oder zwei Geschichtcheu stützen sich gegenseitig:Zwei, die sich nicht mögen"Zwei, die sich mögen". Freilich,die Kunstgriffe thun es nicht; die sichere Begabnng für das Inter-essante, Packende thut es. Sie zeigt sich bei der Fabel, aber auch