g94 1870—1880.
Weise" vorschritt. Sicherlich trug die Entfremdung, die zwischen„Gläubigen" und „Ungläubigen" längst eingetreten war, einen Teilder Schuld.
Erst der neuen Generation, die etwas Romantik mitbrachte,wurde wieder ein gewisses Verständnis für die gläubige Mino-rität möglich. In der Majorität aber herrschten zweierlei Stim-mungen. Der platte Materialismus war allmählich in die Schichtenherabgesunken, bei denen immer das gerade Überwundene modernist. Da galt es immer noch als geschmackvoll, eine Geburts-anzeige in den „Blättern für geistigen Fortschritt" (März 1876)mit den Worten zu schmücken: „Um den einstigen Mann zuerinnern, daß es außer jenen in der Schul-Weltgeschichte ihm vor-geführten Tyrannen und Pfaffen auch noch andere nnd zwar dasMenschenwohl fördernde Männer... gegeben hat, legten wir ihmdie Namen Reni Milton Büchner Darwin bei" oder gar eineTodesanzeige (Neue Freie Presse 9. Oktober 1873) so zu formu-lieren: „Es hat dem Universum gefallen, feinen Zellenhaufen Ema-nnel Kolisko in Pettau abzustreifen und der Metamorphose anheim-zustellen". Aber diese platten und kindlichen Demonstrationenentsprachen einem selbstgefälligen Standpunkt materialistischer Ortho-doxie, den die führenden Männer und Klassen längst aufgegebenhatten. Eiu glühender Glaube, wenn auch ohne kirchliche Formen,erfüllte sie und ließ sie für ihre Ideale mit Leidenschaft kämpfen.Deshalb thut man unrecht, auf den „Kulturkampf" (wie auf denKonflikt) jetzt nur mit mitleidiger Verachtung herabzusehen. Manthut es doppelt mit Unrecht, weil auch auf der andern Seite eintapferer und opferbereiter Idealismus erwachte. Weder überzeugteund beredte Verteidiger des Ultramontanismus wie die beidenReichensperger (August 1808—1895, Peter 1810—1892) oderHermann v. Mallinckrodt (1821—1874), noch die Priester, diein Gefängnis und Verbannung zogen, noch die Gemeinden, die siemit Opfern erhielten, haben solches Urteil verdient. In dem leiden-schaftlichen Miterleben dieser Kämpfe begann auch die katholischeLitteratur, die so lange zurück geblieben war, neue Kräfte zusammeln; zunächst freilich ward es eine Litteratur des Kampfesbei dem talentvollen Publizisten Paul Majunke (1842—1899),wie bei den Historikern Johannes Janssen (1829—1891: „Ge-schichte des deutschen Volkes" 1877 — 1898) und Ludwig Pastor (geb. 1854). Man darf auf den Kulturkamps wohl jenes Wort