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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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696 18701880.

war es eine Zeit, in der allmählich die moderne Kunst erwuchs.Die Alten waren müde erst nach 1880 fanden Fontvne undC. F. Meyer ihre beste Kraft; oder sie wurden übersehen, zurück-gestoßen, wie Gottfried Keller . Die reifen Männer hatten imKampf fo viel zu leisten, daß nicht einmal Anzengruber ganz ward,was er werden konnte. Aber es erwuchs eine neue Generation,deren Ältester Nietzsche war.

Wilhelm Scherer schrieb damals (1870), an einen Aufsatz vouJulian Schmidt anknüpfend, überdie neue Generation". Alsihre Hauptmerkmale hob er hervor:Die neue Geueration ist mitder romantischen Schule verwandt... Sie kehrt von der strengenArbeitsteilung zu allgemeinen Ideen, zu derUniversalitäterfahrungsmäßiger Betrachtung" zurück, aberdie neue Generationbaut keiue Systeme".Die Naturwissenschaft zieht als Triumphatoreinher." In all diesen Punkten sind der Kritiker der alten undder neuen Schule einig; nur nicht in dem letzten! Julian Schmidterklärt für den erwählten Philosophen der neuen GenerationSchopenhauer ; Scherer erkennt an, daß der theoretische Pessimismusscheinbar obenauf sei, aber mächtiger sei der große allgemeine Zugdes Geistes, der den Willen zum Leben in sich trage.Gewaltigfortschreitende Zeiten wie die unsrige führen eine wnnderbar be-seligende und erhebende Kraft mit sich. Die Menschen wachsenmoralisch über sich selbst hinaus. Die Frage nach dem Lebens-glllck des Einzelnen tritt weit zurück." So schrieb der großePatriot und Interpret der Volksseele einen Monat, ehe der Krieggegen Frankreich ansbrach.

Fast wie eine Verkündigung Nietzsches klingen die Worte.Auch dieser ist mit der Romantik verwandt, vor allem in der funda-mentalen Scheidung des ästhetischen Übermenschen vom philiströsenSklaven und Herdenmenschen. Auch er verschmäht die kleinlicheSpecialisierung; aber auch er baut kein System. Die Naturwissen-schaft hat auch seine Methode entscheidend beeinflußt wie dieScherers für Dühring oder Haeckel ist sie überhaupt dieWissenschaft schlechtweg.Physiologisch" war damals, wie RndolfHildebrand bemerkt, ein Lieblingswort. Und endlich, vor allem:anch Nietzsche ist durch den mächtigen Zug des Geistes überSchopenhauer, aus dem er hervorwuchs, hinausgetragen worden.Die Menschen wachsen moralisch über sich selbst hinaus" dieZeit reifte zu der Forderung des Übermenschen heran.