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1870-1880.
größere Erfolge zu sichern. — Heinrich Steinhaufen (geb. 1836)aus Sorau trat zuerst mit religiösen Erzählungen auf („Geschichtevon der Geburt unseres Herrn" 1873), wandte sich aber dann derfrommen Erzählung mit freier Erfindung, historischem Kolorit undzum Teil leicht humoristischer Färbung zu („Jrmela" 1880, „MarkusZeisleins großer Tag" 1883, „Herr Moffs kauft sein Buch" 1391).Die behaglich-humoristische Zeichnung still romantischer Interieursbildetwohlseine Stärke; seltsame Käuze mit etwasjeanpaulischemAnflugbewegen sich in Geschichten von altertümlicher Romanhaftigkeit ihremglücklichen Ausgange zu. Es wird etwa (in „Markus Zeislein")die alte idealistische und die neue realistische Kunst in dem Schilder-maler Zeislein nnd dem Dekorateur und Metallbuchstaben-DebiteurSpirling in zurückhaltendster Weise symbolisiert; aber der Verfassernimmt nicht, wie Wilhelm Raabe , in persönlichem Hervortreten fürdie alte deutsche Träumerei unbedingt Partei, sondern weiß mitherzgewinnendem Humor ihre Schwächen zu verklären und dieMängel der neuen Art in ein milderes Licht zu stellen.
Augnst Niemann (geb. 1839) aus Hannover , ein ernsterGrübler, erneuert den alten Reflexionsroman („Die Grafen vonAltenschwerdt" 1883, „Eulcu und Krebse" 1888, „Des rechten AugesÄrgernis" 1889) und tritt in seinem Hauptwerk („Bakchen undThyrsosträger" 1882) mit offenem Visier dem Materialismus derZeit gegenüber. Sein erstes selbständiges Werk war (1871) eine Ge-schichte des französischen Feldzuges gewesen; auch in jenem Bnchist eine überlegte Taktik nicht zu verkennen, die die Gegner langsamnmzingelt und dann Stück für Stück vernichtet. Die Gegner abersind ihm die, welche sich vom Schein blenden lassen, mag er sich nunals Reichtum, Macht, Ausehen, gesellschaftliche Beliebtheit darstellen;wie denn feine späteren kürzeren Bücher gewissermaßen Streifzügegegen einzelne von diesen Feinden sind: gegen die litterarischen Er-solghascher („Lorbeer" 1894) oder die parlamentarischen („EinGünstling des Volks" 1896). Vor allem ist Niemann ein echterErzähler, den seine Gestalten als solche interessieren nnd nicht bloßdurch das, was sie bedeuten. Weder die soldatischen Gesprächeüber Phrenologie, Gerechtigkeit, wahres Glück, die er in behaglicherBreite einlegt — seine Lieblinge sind eben Denker und sollen dieseihre Art „ausleben" köuneu — noch die satirische, nnt stadtkundigenPorträts gewürzte Schilderung der Gründerzeit und ihrer Typenvermögen bei ihm die Lust au romantischem Fabulieren zu ersticken;