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1870—1880,
zitierten Stelle in seiner Gegenschrift ausgesprochen: es gilt denKampf gegen die hochgepriesene „Civilisation" für eine viel höhere„Kultur", „die durch alle Civilisierung höchstens vorbereitet ist".
Man darf von dem Kampf um die „Geburt der Tragödie"fast sagen, was der französische Philosoph mit geringem Rechte vonder Schlacht bei Belle-Alliance sagte: „^ ^Vaterlos il n-^-avaitui vainqsur ni vaiuev.!" Mochte in rein sachlicher Hinsicht Wi-lamowitz vielleicht zunächst eine Niederlage davontragen — seinBekenntnis zn den alten Meistern, seine Warnung vor einer Jn-spirationsphilologie, wie sie auf anderem Gebiet Herman Grimm durchzuführen versuchte, hat auf die Dauer für sein Fachgebiet dochRecht behalten; aber Nietzsches große Gesammtanschauung, derWilamowitz so gar nicht gerecht ward, begann noch rascher ihrenEroberungszng.
Rascher — aber doch nicht rasch. Denn für den Autor selbstkamen Hemmungen. Die Grundsteinlegung des Bayreuther Theaters(1872), die Zeit der kühnsten Hoffnungen, ward von der erstenAufführung (1876) abgelöst — les ^'ours se suivsnt, wais ils nsss rsLSömdlsnt xas. Die Verwirklichung ward, wie so oft, zn einerErnüchterung. Das Spiel selbst hielt nicht ganz, was man sichversprochen; vielmehr aber noch enttäuschten die Zuhörer. Derseinsinnige Bewunderer Wagners mußte verletzt werden dnrch denpolternden Fanatismus und die theatralischen Posen zahlreicherAnhänger. Aber auch der Meister selbst verlor bei allzu naherBekanntschaft. „Wagner hat nicht die Kraft, die Menschen imUmgange frei uud groß zu machen: Wagner ist nicht sicher,sondern argwöhnisch und anmaßend" (1878). Das Demagogischean dem großen Agitator mißfiel dem Aristokraten: die Witzeleien,die „Effekte für die Galerie". Seine unbedingte AnerkennungWagners als des typischen Genies sing an, erschüttert zu werden.Und vielleicht trugen diese geheimen Kämpfe so viel wie die wütendeArbeit zur Zerrüttung seiner Gesundheit bei. Weihnachten 187Sbrach er zusammen, und brauchte Monate, ehe er wieder arbeitenuud — was ihm so nötig war wie dies — wieder lachen konnte.Von Bayreuth ging er dann (1876) nach Italien ; aber schon be-gannen seine Augen Schonung zu fordern. In Sorrent war ermit Wagner zusammen, aber schon hatte man sich nichts zu sagen.Das packte Nietzsche am tiefsten. Der Mann, den er verehrt hattewie keinen Sterblichen, schob ihn rücksichtslos zurück, sobald sich