Nordau, — Hardcn.
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künstlers Maeterlinck, jenes Belgiers, der die deutsche Romantik soeigenartig mit Elementen der romanischen Tradition verschmilzt, derden monotonen Reiz der Litanei und den geheimen Zauber desUnsichtbaren in den Dienst einer symbolisch-naiven Kunst stellte.Harden hat auch die glückliche Idee der „Freien Bühne" in Berlin angeregt; sür Ibsen hat er wacker gekämpft und das Ewig-Modernein Goethe oder Heine darüber nicht übersehen. Aber dieser klugeund verdienstvolle Kritiker hat nun das Unglück, ein erfolgreicherJournalist zu sein — seit Görres und Borne fast der erste Deutsche,der durch rein persönliche Begabung für den Zeitungskampf zu einerMacht wurde. Seme Wochenschrift „Die Zukunft" (seit 1892) hatdas ganze Journalwesen Deutschlands wie ein Sauerteig in neueGärung gebracht; die schädliche Anonymität wich, wie in den Länder«?der großen Journalisten, dem energischen Hervortreten bestimmterPersönlichkeiten, der dunkle Orakelton machte einer bewußten Sub-jektivität Platz. Aber die großen Erfolge verführten ihn. Aus derwirkungsvollen Eigenart wurde Manier, die mit fernliegenden Ein-gängen, gesuchten Citaten, bedenklichen Anspielungen prunkte; ausder Unabhängigkeit wnrde, was ein französischer Sociolog „contra-Imitation« nennt: die Sucht, der Menge durch billigen Widerspruch,und bequeme Paradoxie zu imponieren, und persönliche Verbitterungkam hinzu.
Es ist begreiflich, daß das Suchen uud Spähen sich vor allemauf das ästhetische Gebiet wandte: von einer neuen Kuust erwartetengerade die das Beste, die das neue Reich in kultureller Hinsichtenttäuscht hatte; und die, denen es darin genügte, erwarteten nunaus seineu Fortschritten als ein Zeugnis der neuen Volkskraft kaumminder gespannt eine neue Kunst. Die Reflexionsdichtung, die Philo-sophische Litteratur erhielt eiuen Anstoß, wie sie ihn seit der Zeitdes Jungen Deutschland nicht gekannt hatte. Zahlreich schössenDichtungen empor, die in Formgebung und Technik noch ganz imBann der alten Kunst, in Inhalt und Tendenz von dem Geisteiner neuen Zeit erfüllt waren.
Althergebracht war für solche Zwecke die Form des Romans.Der deutsche Roman war fast immer lehrhaft, oft agitatorisch; nunnahm er dazu die neue Manier des ,roiuan sxxsrimsnwl" an, ohnesich doch gleich innerlich zu verjüngen. Man griff zunächst einfacheinen extremen, recht künstlich konstruierten Fall auf, führte ihn zueinen von vornhereim feststehenden Endergebnis und triumphierte.