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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
Entstehung
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College Crampton"

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verständliche Voraussetzung des eigenen Wohlbefindens empfindendenAusbeuters. Aber wer ertrüge hier Objektivität! Wenn Hauptmannmit der Objektivität, die Ibsen zuweilen erreicht, den Fabrikantenin seinem relativen Recht dargestellt hätte dann erst wäre dasDramapeinlich, niederdrückend, unerträglich" im höchsten Gradegeworden. Jetzt wird das Gefühl der Empörung, das in unserregt wird, ein frischer Windhauch, der uns über das Entsetzlichstefortträgt.

Daß dennoch diese alle vorgefaßten Meinungen von Handlung,Held, Ausgang über den Haufen werfende dramatische Znstands-schilderung auf der Bühne mächtig wirkt, wirkt gleichsam allen üblichenVoraussetzungen zum Hohn, das wird niemand bestreikn können, dereiner Aufführung beigewohnt hat. Je entschiedener der Dichter allesvermieden hat, was einem theatralischen Effekt auch uur von weitemähnlich sehen könnte, desto stärker wirkt die mit tiefster Verinner-lichung gegebene Reproduktion eines großen Stückes wirklichenLebens. Diese wundersame, unheimlich stille Plünderung alleinund nach der Aufregung wieder der einsame blinde Beter an seinerArbeit mit dem furchtbaren, auf das Jenseits abgeladenen Haßund mitten inne das bunte Leben des Wirtshauses, in dem dieAlltagswelt so gleichmütig über das furchtbarste Elend hinweg-plandert ich begreife die Leute nicht, die danach noch den Muthabeu, Hauptmann den Rang eines großen Dichters abzusprechen!

Zwischen seine bedeutendsten Werke schob Hauptmann einIntermezzo:College Crampton" (1892), eine breite Por-trätstudie in Lenbachs Art: genial, ausdrucksvoll, durchgeistigt injeder Linie der Kopf, alles andere bis auf den prächtigenDienstmann Löffler uudeutlich und konventionell. Der Ans-bruch kindlicher Heiterkeit, in der er den jungen Strähler undsein Bräutcheu vorführt, ist mehr psychologisch begreiflich als eineinnere Erlösung nach denWebern ", als daß er in dem Stücketwas leistete: es ist gewissermaßen ein Luftsprnng, zu dem derDichter sich zwingt, um seine Muskeln zu üben, eiue gymnastischeLeistung, aber keine künstlerische. Es blieb ein Virtnosenstück, dasden Darsteller der Hauptrolle nur zu leicht zu allerlei Mätzchenverführt. Das Problem der unglücklichen Ehe wird zu leichthinangetastet. Kurz wir vermögen in dieser Komödie nur einunfertiges Stück zu sehen, das als Beispiel schädlich weitergewirkt hat.

Um so vollendeter istHanneles Himmelfahrt" (1893)