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1880—1830.
Maurerstochter; und symbolisch wird die ganze Dichtung für dieVerklärung menschlichen Elends durch echte starke Poesie.
Und wieder scheint sich der Dichter an einer Komödie gleich-sam von den seelischen Erschütterungen zu erholen. Im „Biber-pelz" (1893) trifft Hauptmann auf dem Gebiet des Lustspiels wiesonst im historischen Drama mit Heinrich v. Kleist zusammen.Diese Diebskomödie ist, wie der „Zerbrochene Krug", ein „analy-tisches Drama": die Exposition giebt nur Rätsel, die Handlungselbst löst Schritt für Schritt die dunkle Vorgeschichte auf. Frei-lich nur für den Zuschauer, nicht für den superklugen Amtsvor-steher, in dem Hauptmann — unter Benutzung eines Modells ausseinem für das Stück ausgenutzten Aufenthalt in Erkner — einprächtiges Bild einer bestimmten, leider jetzt nur noch überHandnehmenden Art von Verwaltungsbeamten zeichnet: „schneidig" undum so leichter hinters Licht zu führen, jeder Zoll ein Streber,der über Dingen, die ihn „oben" in Erinnerung rufen könnten,seine nächsten Pflichten vergißt. Dieser meisterhaft gezeichneteTypns auf der einen, die unvergleichliche Wäscherin auf der anderenSeite sind die Angeln des Stückes. Die Wolffen ist von demplebejischen Strebertum beseelt, das auch den Meister Oelzeerfüllt, und bildet so ein Gegenbild zu dem aristokratischen Streber;sie ist heimlich so schlau, wie er eigentlich dumm ist, und thntdabei so ehrbar, wie er forsch; sie ist so fleißig und für dieIhrigen allein bedacht, wie er bequem uud egoistisch. So kommendie beiden vortrefflich miteinander aus, und die Braven habendas Nachsehen, der zappelige, immer gleich erhitzte Hausbesitzer undsein nervöser Mieter — der erste zninal eine köstliche Figur.
Was Hebbel im „Trauerspiel iu Sizilien" mit dem schwerenApparat einer pathetisch-grotesken Tragikomödie anstrebte, das voll-zieht sich hier leicht aus der Natur der Umstände heraus: dieObrigkeit wird zum Beschützer des Verbrechers, freilich uicht inböser Absicht, aber doch noch weniger unverschuldet. Ein krankerZustand wird auch hier offenbart, wie er da eintritt, wo derBeamte über der Politik die Gerechtigkeit und über Sympathienund Antipathien die Pflicht vergißt. Tendenz fehlt fo wenig wiein „Vor Sonnenaufgang" oder den „Webern "; während „Hannele",das objektivste Werk des Dichters, obwohl das am meisten idealistische,von Socialisten und Frommen mit gleich unzureichenden Argu-menten in Beschlag genommen werden konnte. Die Tendenz ist