„Der Biberpelz".
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eben die des Hamlet : der kranken Zeit den Spiegel vorzuhalten.Deshalb läßt der Dichter zweimal fast denselben Vorgang spielen:beim Diebstahl von Holz und dem des Biberpelzes wiederholen sichdie lustigen Irrtümer des Untersuchenden. Es soll gesagt werden,daß nicht etwa nur einmal durch einen ungünstigen Zufall derDieb geschützt bleibt, sondern daß das „im System liegt".Dramatisch ist das freilich gewagt, obwohl der Dichter in den Ver-handlungen so viel Humor und Witz entfaltet, wie man ihm sonstgar nicht zutraut; in dem prächtigen Moment vor allem, wo Wehr-hahn den gestohlenen Pelz zu sehen bekommen könnte und nuntriumphierend, indem er auf den Hehler deutet, ruft: „Sie sehen,der Mann hat selbst einen Pelz!"
Die Charakterschilderung verweilt mit gleicher Liebe im Aus-malen des originellen Familienlebens der Wäscherin und destypischen Hin uud Her auf dem Bureau des Vorstehers. Aberdie einzelnen Figuren sind doch eben nur Mittel zum Zweck. Einepolitische Tendenzkomödie ist der „Biberpelz" — die genialste, dieseit Gogols „Revisor" geschrieben wurde. Aber es ging ihm damit,wie dem Russen mit seiner grimmigen Satire: „So habe ich langenicht gelacht", sagte der Zar zu dem Dichter. „Das war eigentlichnicht ganz meine Absicht", erwiderte Gogol .
„Florian Geyer " (1895) war weniger leicht mißzuverstehen.Es ist gewissermaßen eine Wiederholung der „Weber" auf höhererStufe und mit den vergrößerten Schwierigkeiten eines histori-schen Dramas. Auch die „Weber" sind eigentlich schon ein histo-risches Drama; aber der zeitliche Abstand ist doch hier noch nichtso groß, daß wir die Schwierigkeit seiner Reproduktion vollempfänden. Wenn nun aber Gerhart Hanptmann ins Mittelalterzurückgriff, schien er von vornherein alle Gesetze der neuen Schulezu verleugnen. Seit Jahren lehrte die Mehrzahl der realistischenDoktrinäre, die historische Kunst sei abgethan — das Geschichts-drama sei tot wie das Geschichtsgemälde. Aber das war ebenein doktrinärer Irrtum. Ob „modern" oder „historisch" — dasist eben nur ein Unterschied im Was; auf das Wie kommt es an.Mit Typen arbeitete das alte Drama, mit Individuen das neue.Woher sie sie nahmen, ist Nebensache. Hauptmann mußte vonseinem Standpunkt aus lauter Individuen vorführen, die auf demHintergrund gemeinschaftlicher Zeiteigenheiten persönliche Art zeigen.Das hat er gethan, und mit ungemeiner Kraft. „Der anfangs