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1880—1890.
so mühsame Gang durch diese sechs Räume des Dramas", sagtSchlenther, „belohnt mit der Bekanntschaft von einem halbenHundert lebendiger Menschen. Darin liegt eine großartige Schöpfer-kraft; es soll unter unseren neuereu Dichtern mal ein zweiterkommen, der etwas Ähnliches vermöchte." Und diese Mengeeigenartiger Gesellen fügt sich zugleich zu einem einheitlichen, über-zeugenden Gesamtbild der Zeit zusammen. Überzeugend wirkt vorallem, trotz einigen Fehlern und gewissen Übertreibungen, die Sprache.An den „Webern " hat der größte lebende Kenner deutscher Dialekte,der speciell noch der genaueste Kenner der schlesischen Mundart ist,Karl Weinhold , die uubediugt sichere Beherrschuug des Dialektesgerühmt; bei „Florian Geyer " hat ein gründlicher Kenner derLitteratur unserer Resormationszeit, Max Herrmann , die kunstvollarchaistische Rede bewundert.
Nur trotz alledem und alledem — wir haben das Gefühl,daß Anstrengung und Ergebnis hier uicht im richtigen Verhältnisstehen. Swifts Gulliver läßt sich auf der Insel Laputa Alexanderden Großen an der Spitze seines Heeres nach der Schlacht beiArbela zeigen, „welcher denn auch sogleich, auf eine Bewegung desFingers von feiten des Gouverneurs, unter dem Fenster, wo wirstanden, erschien". Diesen Eindruck der Leichtigkeit im Beschwörender Geister vermissen wir hier allzu sehr. Die Breite der zuständ-licheu Schilderung, die Masseuhaftigkeit der Figuren, die Ausführ-lichkeit der Debatten auf der Bühue, die Schwierigkeit der Sprache— das entfernt sich zu weit von dem einzigen Prinzip, das dieKuust niemals verleugnet hat und ohue Schaden nie verleugnenkann: von dem, Ordnung uud Übersicht in ein Chaos zu bringen.
Nicht an dem Helden liegt die Schuld. Florian Geyer , sagtein eindringender Kritiker, geht wie ein leerer schwarzer Harnischdurch das Stück. Aber durch sein Schwanken, seinen falsch ange-brachten Idealismus, seine Vorliebe für Reden und seine Abneigunggegen schnellen Entschluß leistet er gerade, was er soll: er fungiertals Modell des ganzen im Aufstand begriffenen Volkes, er veran-schaulicht in seiner Person die aufständischen Bauern, ihre zer-brochene, nur eben schnell einmal aufflackernde Lebenskraft, ihreReife zum Untergang. Das also ist in der Ordnung; wäre erein Kerl wie Goethes Götz , so hätten ihn diese Bauern nicht zumFührer gemacht. Deshalb hat Hauptmann aus seinem Studiumund aus seiner Gesamtauschauung heraus auch den Götz von