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Führung des modernen Gesellschaftsdramas verbunden wurde. Hierliegt doch wohl die fröhlichste Aussicht des so eifrig an seiner eigenenVertiefung arbeitenden Dichters.
Eine solche Natur ist auch zum Übersetzer berufen. Auchhierin reiht er sich dem Münchener Dichterkreis an. Er hat vorallem Molieres Meisterwerke (1892), aber auch andere französischeDramen und besonders glänzend das mittelhochdeutsche Gedicht vonMeier Helmbrecht wiedergegeben.
Die späteren jungen Dramatiker, die norddeutschen sowohl,Dreyer, Georg Hirschfeld, wie die österreichischen, Schnitzler vorallen, treten erst im letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts auf undbleiben von den besprochenen Dichtern durch jene weichere, lyrisch-sentimentalere Färbuug unterschieden, die gelegentlich zwar auchHauptmann und Hartleben zeigen, die bei ihnen aber zum eigent-lichen Wesen gehört. Denn inzwischen hat sich auch die Lyrik ver-jüngt — ain stärksten oder mindestens am originellsten.
Lyriker fehlten natürlich nicht, die auch in diesem Zeitraumdie alte Art nicht ohne Talent fortsetzten. Aber daneben regtensich ganz neue Strömungen. Ein frisches Interesse an der langetotgesagten Lyrik war aufgewacht, wie schon äußerlich zahlreicheAbhandlungen und Anthologien zeigen. Ich nenne nur dieSammlungen von Carl Busse („Neuere deutsche Lyrik" 1895) undGemmel („Die Perlenschnur" 1898), von denen jene mehr auflyrische Schönheit, diese mehr auf charakteristisch neue Töne Gewichtlegt; daneben die hübsche Auslese von Gedichten je eines Poeten,die Karl Henckell in vorurteilsloser Auswahl seit 1896 als„Sonnenblumen" herausgiebt.
Nicht aus der Stoffwahl, nicht aus der Tendenz konnte eineVerjüngung der Lyrik gelingen: sie glückte aus eiuer Umgestaltungdes dichterischen Prozesses. Nicht doktrinäre Programme schufensie, fondern die göttliche Nnbewußtheit hochbegabter Poeteuseeleu.
Jeder Eindruck, den wir empfangen — mag er durch eineNaturerscheinung, durch eine Erinnerung, wodurch immer erregt fein,setzt sich ans einer unendlichen Reihe kleinerer Eindrücke zusammen.Nehmen wir etwa den Eindruck einer trüben Mondnacht: neben demMond wirkt sein Hof, der trübe Dunst, der ihn umgiebt, mit; nebender Dunkelheit die Gestalten, die sich, halb nnr sichtbar, abzeichnen:die Eiche, das Gesträuch, der leise Wind, Spukvorstellungen, persön-liche Erinnerungen wirken mit. All dies giebt Goethe's wunder-