Der Kampf um die neue Kunst.
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Werke zu ziehen: Richard Muther (geb. 1860: „Geschichte derMalerei im 19. Jahrhundert" 1893), der leider Vorarbeitenanderer und eigene Arbeit nicht sorgfältig genug schied, gab ingeistreicher Zusammenstellung die erste wirklich das ganze Gebietumfassende und einen Ausblick in die Zukunft ermöglichende Dar-stellung; Carl Neumann (geb. 1860) schrieb: „Den Kampf um dieneue Kunst" (1896), voll feiner Parallelen zwischen bildender Kunstund Poesie, zwischen Kunst und Wissenschaft, überall voll fruchtbarerZusammenfassung und anregender Kritik; Cornelius Gurlitt (geb.1850) folgte mit seiner „Deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts"(1899), die hier zu rühmen sich leider verbietet.
Im wesentlichen schien doch der Kamps um die neue Kunstbereits entschieden. Die alte konventionelle Kunst mit ihren Theater-helden und Nomaneffekten ist abgethan. Damit ist keineswegs ge-sagt, daß sie aufgehört Hütte. Romane und Theaterstücke vomalten Schnitt werden Tag für Tag sabriciert, und die Romanefinden Leser, lobende Kritiker, auch wohl ein Plätzchen in einerliterarhistorischen Übersicht. Die Theaterstücke beherrschen trotzalledem und alledem die Bühne, wie in den Tagen, da Schillerschrieb und Kotzebue aufgeführt wurde; und das Berliner Schau-spielhaus, das von allen bedeutenden Werken der neuen dramatischenKunst nur eine kurze Zeit lang „Hannele" uud ganz vereinzelt ein-mal ein Stück von Anzengruber gegeben hat, ist für die Blumen-thal und Lublincr, Skowronnek und v. d. Psordten jederzeit zuhaben. Wie schrieb doch Platen in der „Verhängnisvollen Gabel"(1826):
Mittelmäßigem klatscht ihr Beifall, duldet das Erhab'ne bloß,Und verbannet fast schon alles, was nicht ganz gedankenlos.Ja in einer Stadt des Nordens, die so manches Übels Qnell,Preist man Claurens Albernheiten und verbietet Schillers Tell!
Dennoch steht es heute uicht, wie zur Zeit von A. W. SchlegelsKlage. Die wirkliche Litteratur ist uicht mehr Eigentum weniger;das Volk liest nicht nur Unlitterarisches. Ein deutliches Gefühl,was ein Kunstwerk ist und was ein „Schmöker", bildet sich aus.Und wo die lebendige Litteratur sei, darüber herrscht kein Zweifelmehr. Nicht bei denen, die ausgefahrene Geleise empfehlen, weil einstKönige diesen Weg fuhren, sondern bei denen, die die Wirklichkeit,das Leben, den persönlichen Anteil an der Existenz zur Grundlageder Kuust machen.