9gt) 1890—1899.
feld in den „Lumpen" gezeichnete) frühere Caf« Grünsteidl, in denenSchriftsteller und Schauspieler, Künstler und Liebhaber sich inwitzigen Gesprüchspielen ergötzen. Hier wie dort werden gleichsam„Causerien" improvisiert; man lebt sich in feste Rollen hinein: derwird der typische Skeptiker, jener der principielle Idealist, eindritter der Äclvooatu8 äiadoli; und für die eomlneclis äsll'artö sindProbleme genug allezeit in Bereitschaft.
Schnitzlers „Anatol" (1893) ist das Ergebnis all dieserVoraussetzungen; und eben deshalb gehört das Büchlein zum Ori-ginellsten, was die neuere Litteratur gebracht hat. Der Dichtercharakterisiert einmal ein Mädchen: „ich kann dir nun einmal nichthelfen ... sie erinnert mich so an einen getragenen Wiener Walzer — sentimentale Heiterkeit . . lächelnde, schalkhafte Wehmut . . dasist so ihr Wesen." Das ist auch sein Wesen. Auch er liebt dasLeben, wie seine ganze Zeit; aber er liebt es vor allem als diegroße Künstlerin. Mit ironischem Behagen verweilt er bei dengraziösen Launen des Schicksals, das eine Meisterin der Lüge zurSelbstanklage zwingt, indem es alle Gefahr der Entdeckung zu be-seitigen scheint („Die Toten schweigen"), oder das zwei betrogeneBetrüger zum Abschiedssouper zusammenführt. Er kennt auch denErnst der großen Künstlerin und ihre Grausamkeiten; seine No-vellen („Die Frau des Weisen" 1898) verweilen gern auf dieserSeite und schildern, wie einen armen Pfuscher eine ironische Hul-digung aus dem Leben jagt („Der Ehrentag") oder wie der Lieb-haber an der Leiche seiner Geliebten plötzlich seinen Schmerz „ganzdürr und wesenlos" werden fühlt, als der betrogene Gatte ihmgerührt die Hand drückt: „ihm war, als dürfe er. nicht trauern wiedie anderen, als hätte ihn seine tote Geliebte davongejagt, weil ersie verleugnet." Aber lieber faßt er doch die unbegreiflichen Launendes Schicksals als ein leidlich harmloses, ziemlich frivoles, dochimmer reizvolles Spiel auf.
Die Stimmung ist für ihn alles, wie für Verlaine die Nuance:„Und das macht mir das Leben so vielfältig und wandlungsreich,"daß mir eine Farbe die ganze Welt verändert!" Und in dieserfeinen Abtönung werden nun auch tiefernste Ideen mitten im Spielvernehmlich — aber leise, halb ironisch, mit fast FontanischemMangel an Feierlichkeit. Jene Freude an der Uuersetzbarkeit deseinzelnen Momentes, die dem intensiven Lebensgenuß der modernenKunst zu Grunde liegt, kann nicht schlichter ausgedrückt werden,