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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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Anntol".Liebelei

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als es hier der Philosoph des Rendezvous thut:Geh nach Hausemit deiner süßen Erinnerung. Man soll nichts wiedererlebenwollen." Und aus dieser heimlichen Lebensweisheit, die melancholischhinter den Scherzen hervorlächelt, kommen die stärksten Wirkungen.

Auch Schnitzlers Dramen dnrchdringt der starke Duft einerindividuellen Stimmung. Sie sind mit den Anatol - Stückcheninnigst verwandt; das Freundespaar Max und Anatol kehrt (wieSteiger bemerkt) imMärchen" (1894) wie in derLiebelei"(1895) wieder. Doch hat daneben das Probleindrama Bahrs (Dieneuen Menschen" 1887,Die große Sünde" 1889) stark auf denempfänglichen Freund gewirkt; zuweilen hat er der Behandlung einesaktuellen Problems wie des Duells (Freiwild" 1896) seine bestenKräfte nutzlos geopfert. Einmal aber ist es ihm gelungen, dieBlüte seiner schließlich doch noch mehr mild-versöhnlichen alsfrivolen, mehr elegisch-resignierten als satirischen Weltanschauung(wie Mörike sagt)rein vom Stengel abzubrechen" und inLiebelei"(1895) uns ein Lebensbild voll wehmütigen Reizes, voll intimerWahrheit und voll ergreifenden Mitlebens mit denen, die zu schwachzum Leben sind, zu geben. Der erste Akt ist etwas zu breitesGenrebild, der zweite hat technische Schwächen und wirkt etwas zusentimental ich gebe das alles zu; aber die seltsam aus Senti-mentalität und Frivolität gemischte Wiener Luft mit ihrer be-rauschenden Eigenart ist nie feiner wiedergegeben worden, undmeisterlich ist es, wie die Stimmung des Ganzen in der trübenMahnnng zur Lebensfreude des alten Spielmanns sich verkörpert.

Wie Schnitzler von der Novelletre, kam Hugo v. Hofmanns-thal (geb. 1874; als Dichter anfangsLoris"), gleichfalls ein ge-borener Wiener, vom lyrischen Gedicht zum Drama. Im Lyrischen wurzelt dauernd die Kraft auch seines Dramas. Jener Rokoko -Charakter des jungen Wien mit seinen weltlichen Abbes und derEleganz seiner Damen ist in Hofmannsthals Stücken so stark odernoch stärker ausgeprägt als bei Schnitzler . Aberdie Eleganz desWieners", sagt Rudolf Lothar ,ist wärmer, liebenswürdiger, leichterals die des Parisers". Hofmannsthal gab zuerst, unter dem Pseu-donym Theophil Morren, eineStudie in einem Akt, in Reimen"mit dem bezeichnenden TitelGestern" (1892). Es ist die feinsteBlüte des lyrisch-didaktischen Gartens, ganz voll von schweren Be-trachtungen, die doch ganz in den Duft Persönlicher Stimmunggetaucht sind. Wie Riearda HuchsEvoe" spielt es in Italien