Hvfmannsthal als Dramatiker. 903
Venedig den großen Herrn zu spielen — und die wahnsinnigeAngst vor dem Polizeimeister und den Bleidüchern! (Das Stückist unter dem weniger glücklichen Titel „Der Abenteurer und dieSängerin" — zusammen mit der „Frau im Fenster", sonst „DonnaDianora", und der „Hochzeit der Sobeide" als „Theater in Versen"1899 erschienen.)
In dem „Abenteurer", diesem geistreichen Spiel, das mittiefsinniger Symbolik die tragische Ironie des Menschenlebens über-haupt ausdeutet, in dieser farbenprächtigen Verherrlichung des„Lebens um jeden Preis" erhebt sich Hofmannsthal sogar zudramatischen Wirkungen, die ihm sonst nur in kurzen, fast allegorischenZustandsbildern („Der Thor und der Tod"; „Madonna Dianora",1898) glückt. Eine größere Handlung vermag er, von den vielenlyrischen Ausblicken ermüdet, nicht durchzuführen und steigert sichdann umsonst zu krassen Effekten („Die Hochzeit der Sobeide").Aber große lyrische Reize gehen von diesen belebten Stimmnngs-bildern („Gestern"; „Das Welttheater" 1898) mit ihrer Mischungallgemeinster Betrachtung und persönlichster Auffassung aus; intimeReize, wie wenn eine zart organisierte Seele uns plötzlich in demganzen Reichtum ihres Besitzes und der ganzen Unersättlichkeit ihrerSehnsucht durchsichtig wird.
Aber ueben der symbolischen Stimmungskunst blüht ein neueskräftiges Volks schau spiel realistischen Tons auf. Nachdem dasLokalstück auf das „Drama der Gebildeten" mit der „FamilieSelicke", dem „Collegen Crampton" und verwandten Schauspielenso starken Einfluß geübt hatte, scheint es nun umgekehrt von demnenen realistischen Drama Anregungen zu empfangen. An dieTiroler und Schweizer Volksspiele ist hier nochmals zu erinnern.Aus „unakademischen Kreisen", ans dem Kleinbürgertum und demHandwerkerstand ging in Straßburg ein eifrig gepflegtes Dichtenund Spielen hervor, das schließlich zu der Begründnng eines „El-sässischen Theaters" (1899) geführt hat; ebensolche Liebhaberbühnensind in Colmar und Mülhausen gefolgt. Den Hauptbeftand derelsässischen Dramatik bilden Dialektstücke von rein schwankhafter Art,die mit herkömmlichen Typen, mit Verkleidungen und Versteckenarbeiten. Aber aus dieser naiven Technik wuchs doch in dem JuristenJulius Greber, einem Reichsdeutschen aus Aachen (geb. 1368),ein ungewöhnliches Talent hervor, das neben Lustspielen in jener an-spruchslosen Manier („Laints tüseils!" 1897 — übrigens mit einer