914 1890—1899.
staltungen, die den eigentümlichen Duft ihrer ganz individuellenRede leicht beeinträchtigen.
Ganz und gar persönlichste Kunst, trotz entschiedener Beein-flussung durch Gottfried Keller , macht wieder das Wesen des„Mondreigens in Schlaraffis" (1896) aus. Es ist ein mo-dernes Märchen, in dem realistische Schilderung und traumartigeZüge sich wundersam durchdringen. Der Idealist, der sein Lebenan eine äußere Vorbediugung seines Glückes setzt und darüber seinganzes Dasein verrinnen läßt, spielt die Hauptfigur, und die Ver-treter des Philisteriums, die Männer von Kirche, Verwaltung undDilettantentum, sind die Gegenspieler. Das Drückende der pessi-mistischen Erzählung wird durch die leise Ironie des Märchentonsgelindert. Wundervoll passen wieder die Gleichnisse in die Stim-mung und die Komposition ist abermals äußerst kunstvoll. Dertiefsinnig erdachte Traum bildet den Gipfelpunkt, und eine doppelteAufführung des „Mondreigens", im Anfang und am Ende, läßtuns den Verfall der Schönheit und Freude empfinden. Denndiesmal hat nicht, wie in „Evos", die Poesie gesiegt; die Auto-ritäten dieser Welt, Staat und Kirche und alle sieben Todsünden,treiben die einsame Schönheit der Fran Saelde in den Tod, undfast stumpfsinnig sitzt der verträumte Idealist am Grabe seinerLebenshoffnuugen.
Gegen diesen Pessimismus stechen die heiteren beiden Bändchenvon Erzählungen ab, die Ricarda Huch folgen ließ. Die „Teufe-leien" (1397) deuten schon mit ihrem Titel auf romantische Ironiehin, denn so nannten Friedrich Schlegel und Schleiermacher jeneRaketen, mit denen sie die verhaßten Philister zur Tollheit zureizen suchten. Zwei Schwänke, in denen das heitere Weltkind dieDunkelmänner besiegt — der zweite mit unmotiviert grausigemAusgange — und ein Märchen, wie ein schlauer Jüngling die nacheinem Menschcnherzen lüsterne Seele betrügt, sind im Stil derChroniknovellen Kellers und Storms gehalten; „Haduvig imKreuzgang" (1897) ist wieder eine realistische Geschichte vonTräumen und Visionen. Die Geschichte hat reizende Einzelheiten,in der Schilderung der Nacht im Klostergang, wie auch, wennetwa Haduvig „einen zarten Kuß in die bärtige Wange ihres Vatersversteckt wie ein Osterei ins Gebüsch"; aber wir fassen sie dochnur als Intermezzo auf. Auf Größeres bereitet uns die Novelle„Liebe" (1899) mit ihrem graziösen Spiel der Verliebten und dem