Ricarda Huchs Erzählungen. — Slnselm Heine.
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ernsten Lächeln der Liebesgöttin vor — sie trügt ein breites Schwertohne Scheide und eine Kette von schwarzem Metall.
In der Neigung zum Einführen symbolischer Momente inrealistische Erzählung läßt sich Anselm Heine (eigentlich SelmaHeine, geb. 1855) mit Ricarda Huch vergleichen. Eine Alters-genossin der Schubin und der Marriot, hat sie sich doch ganz vonder übleu Nomanhaftigkeit dieser Generation freigehalten nnd inihren Geschichten („Drei Novellen" 1896, „Unterwegs" 1897) dieeinfache, psychologisch zwingende Durchführung eines Problems an-gestrebt. Am höchsten steht wohl auch bei ihr das Erstlingswerk,die Künstlernovelle „Peter Paul" mit ihrer packend wahren undmerkwürdig sicher und fest disponierten Darstellung eines Kunst-invaliden, der sich, innerlich seiner unzureichenden Kraft wohl be-wußt, in dem Selbstbetrug gefällt, den bewundernden Zuhörern dieBilder vorzuerzählen, die er malen würde, wäre er nicht blind.Der Hjalmartypus erfährt auch hier eine durchaus originelleWeiterbildung, und zugleich wird dieser Maler, der vor der Ope-ration zittert, die ihm das Augenlicht wiedergeben könnte, zu einertiefsinnig symbolischen Gestalt: in ihr mögen sich all die künstle-rischen, politischen, socialen Projektenmacher unserer daran so reichenZeit spiegeln, denen nichts Schlimmeres widerfahren könnte, alswenn man ihnen die Mittel zur Ausführung ihrer Pläue gewährte.— „Einklang", wieder eine Künstlernovelle, leidet bei prächtigemAnfang schon ein wenig unter der allzu geradlinigen Durchführungdes zn Grunde liegenden theoretischen Problems, daß nämlich ein zuweitgehendes Streben nach Übereinstimmung in der Ehe die Indi-vidualität zerstöre. Auch werden gewisse symbolische Motive, etwawie im „Nangierbahnhof", überanstrengt. In beiden Punkten zeigtder „Rosenstock" eine bedenkliche Steigerung: die Wirkung einesgeschenkten Rosenstockcs, der ein phantastisches Hinausgreifen desPhilisters über seine Sphäre bedeutet, wird so stramm uud über-treibend durchgeführt, daß die Novelle fast einen märchenhaftenAnstrich erhält. Aber die Atmosphäre des berauschenden Abends,die Luft in dem engen Musikantenheim, die Stimmungen der gutenkleinen Leute sind mit solcher Feinheit wiedergegeben, daß schondarin die Bürgschaft künftiger größerer Erfolge zu liegen scheint.
Auch Clara Viebig (geb. 1860 in Trier ) hat bei ernstemRingen den Erfolg ihres ersten Werkes noch nicht wieder erreicht:der ausgezeichneten Novellensammlung „Kinder der Eisel" (1897),
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