920 1890—1899.
genutzte Gleichnis von der Äolsharfe kommt wieder zu Ehren. Dasheißt: von den Elementen, die das Wesen eines echten Künstlersausmachen, nimmt man ganz einseitig eins heraus: die Feinfühlig-keit, mit der er auf Eiudrücke antwortet. Alles andere ignoriertman: die unbewußte Weisheit, die die chaotischen Eindrücke zu ein-heitlicher Wirkung ordnet, so gut wie die bewußte Kunst, die dasEntstandene prüft. „Phantasiebilder unmittelbar vorstellen zuwollen" zählt aber Goethes Entwurf „über den Dilettantismus"mit vollem Recht zu dessen Kennzeichen. Und ich weiß nicht, wieman unsere Impressionisten zutreffender charakterisieren könnte alsmit einem weiteren Ausspruch aus jener Abhandlung: „Überhauptwill der Dilettant in seiner Selbstverkennung das Passive an dieStelle des Aktiven setzen, und weil er auf eine lebhafte Weise Wir-kungen erleidet, so glaubt er mit diesen erlittenen Wirkungen wirkenzu können. Was dem Dilettanten eigentlich fehlt, ist Architektonikim höchsten Sinne, diejenige ausübende Kraft, welche erschafft, bildet,konstruiert. Er hat davon nur eine Art von Ahnung, giebt sichaber durchaus dem Stoff hin, anstatt ihn zu beherrschen."
Das gilt für diese neue Dilettantenschule durchweg. Dennochvermag das intensive Schönheitsbedürfnis etwa eines Thassilo v.Scheffer (geb. 1873: „Die Eleusinien" 1898) oder die warmeSympathie mit allem Lebendigen bei Paul Remer (geb. 1867:„Unterm Regenbogen" 1894, „Frau Sonne" 1897) selbst den nichtgenügend künstlerisch verarbeiteten Eindrücken einen gewissen Reizabzugewinnen. Schrecklich aber sind die, die ganz aus der Doktrinselig werden. Ein neuer Dichterhabitus ist Mode geworden: weichebartlose Gesichter mit glattem mauerartig anliegendem Haar undsehr weicher Stimme schauen aus samtkrägigen langen Röcken imSchnitt der Biedermeierzeit heraus. Von ihnen erscheinen jedenTag Bändchen voll bedeutungsloser Impressionen; was man sonstdem Tagebuche anvertraute, muß nun unter den Titeln „MeineGärten", „Meine Jugend", „Neues Leben" n. dgl. ins feindlicheLeben hinaus. Denn „der Dilettantismus", sagt Goethe, „folgtder Neigung der Zeit".
Im Gegensatz zu dieser Gruppe sucht die, die mit zweifelhaftemRecht die der Symbolisten genannt wird, gerade in dem künstlerischenVerarbeiten der Eindrücke das eigentliche Merkmal der Kunst. BeideRichtungen aber berühren sich in dem Gegensatz zu der landläufigenLyrik, zu der „Jmpndenz eines lyrischen Dilettantismus, der durch