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18S0—1899.
Es war ein natürliches Symptom dieser strengen Konzentration,daß der neue Dichterkreis sich lange von dem großen Publikum ganzfernhielt. Jetzt giebt eine glückliche Auswahl aus den „Blätternfür die Kunst" (1899) auch weiteren Kreisen die Möglichkeit, zubeurteilen, was früher (1892—1898) in diesen Heften nur einemfreien Verein von Kunstfreunden zugänglich war. Auch StefanGeorges Werke sind nun (1899) in neuer Ausgabe allgemein zu-gänglich. Man stoße sich nur nicht gleich an Äußerlichkeiten desDruckes und der Ausstattung, deren Bedeutung von jenen Kunst-enthusiasten vielleicht, von einer unfreundlichen Kritik aber zweifellosüberschätzt wurde. Auch soust wollen wir nicht leugnen, daß derGegensatz zu der bisherigen Art zuweilen zu Übertreibungen führt.Deshalb wird namentlich bei dem Haupt der Schule, dessen zuvoller Einheitlichkeit durchgebildete Individualität keine Stilwidrigkeitverträgt, das Wirkliche manchmal allzu energisch lyrisch destilliert,wie ganze Rosenbüsche zerpflückt und zerstampft werden für einFläschchen Rosenöl; um so stärker, berauschender ist dann freilichder Duft. Wer lieber die lebendige Rose riecht, hat das gute Rechtder freien Wahl; daß in dieser so streng noch kaum dagewesenenkünstlerischen Verarbeitung des Stoffes ein für die Entwickelungs-geschichte der Lyrik ungemein wichtiges Moment liegt, glauben wirdoch behaupten zu dürfen. Gegen den lyrischen Schlendrian, dermit verbrauchten Mitteln alltägliche Wirkungen abzweckt, ist dieEnergie dieser strengen, fast hieratischen Kunst ein so wohlthätigesGegengewicht wie etwa eine ernste und deshalb auch immer einwenig weltfremde religiöse oder philosophische Sittenlehre gegen dielaxe Moral des Alltags.
Stefan George (geb. 1868), ein Rheinhesse ans Bingen ,hat zwei lyrische Trilogien in einer Anzahl von einzelnen Gedichtenund Übersetzungen veröffentlicht. Die erste Reihe führt die Titel„Hymnen, Pilgerfahrten, Algabal". Der Geist, der suchendumschauend, anfassend in den „Hymnen" schöne Bilder von allenSeiten zusammenstellt, einen Angelico neben ein Rokoko-Gemäldeund eine Gartenlandschaft neben einen einsamen Dialog, wandertin den „Pilgerfahrten" einem bestimmten Ziel entgegen, das er im„Algabal" erreicht. Dies Ziel ist ein weltfremder Tempel der Schön-heit, wie etwa der römische Kaiser Algabal (oder Heliogabal ), wie derals Modell benutzte König Ludwig II. von Bayern ihn sich erbaute.Dieser Herrscher wird in seiner einsamen Pracht ein Symbol des