Print 
Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
Place and Date of Creation
Page
925
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image
 
  

Stefan George .

925

Dichters, dein alle Wunder der Welt nur gut genug sind als Bau-steine für sein Werk. Und hier lauscht er nun reinen Tönen, dievoll einer Stimmung Ausdruck geben.

Auf jene erste Trilogie, die den Verehrern des Dichters vielfachdie liebste blieb, folgte seine zweite im Jahre 1895:Die Bücherder Hirten und Preisgedichte, der Sagen und Sänge undder hängenden Gärten." Die Seele versetzt sich gleichsam experi-mental aus ihrem wirklichen, aber eben deshalb gleichsam nur zu-fälligenMilieu" in ein solches, das ihrer Eigenart breiterenRaum gewähren könnte. Sie sucht reiue Spielplätze auf und findetsie in der stillen Schönheit der mit Böcklins Augen angeschautenAntike, in der kräftigen Schönheit des mit Thoma's Gemüt er-blickten deutschen Mittelalters, nnd in der phantastischen Schönheiteiner mit Nietzsche erträumten übermenschlichen Zukunft. Diean-geborene Königlichkeit", wie Hofmannsthal in einer schöuen Be-sprechung sich ausdrückt, die fürstliche Freiheit, mit der diese Dichter-seele über ihre Gaben verfügt, übt eine beglückende Wirkung aufden aus, den in litterarischer Betrachtung so unendlich oft (undnirgends häufiger als in deutscher Poesie) ein Mißverhältnis vonWollen und Können abstößt.

Die Welt ist vollkommen überall, wo der Mensch nicht hin-kommt mit seiner Qual." Was Schiller mit diesen Versen aus-drückt, wird für Stefan George der Gegenstand einer mythologischenErfindung von seltsamem Reiz: desHerrn der Insel":Die Fischer überliefern, daß im SüdenAuf einer Insel reich an Zimmt und ÖlUnd edlen Steinen, die im Sande glitzern,Ein Vogel war, der, wenn am Boden fußend,Mit seinem Schnabel hoher Stamme KroneZerpflücken konnte. Wenn er seine Flügel,Gefärbt wie mit dem Saft der Tyrer-Schnecke,Zn schwerem, nied'rem Flug erhoben, habeEr einer duuklen Wolke gleich gesehn.Des Tages sei er im Gehölz verschwundenDes Abends aber an den Strand gekommen,Im kühlen Windeshauch von Salz und TangDie süße Stimme hebend, daß Delfine,Die Freunde deS Gesanges, näher schwammenIm Meer voll goldner Federn, gvldner Funken.So habe er seit Urbeginn gelebt,Gescheiterte nur hätten ihn erblickt.Denn als zum ersten Mal die weißen Segel