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1890—1899.
Der Menschen sich mit günstigem GeleitDem Eiland zugedreht, sei er zum Hügel,Die ganze teure Stätte zu beschau'n, gestiegen;Verbreitet habe er die großen SchwingenVerscheidend in gedämpften Schmcrzenslauten,
Wie er sich hier ein mystisch-geisterhaftes Wesen erdichtet und ihmeine halb unbewußt vom tierischen Instinkt, halb von der Klarheiteiner Dichterseele geleitete Haltung verleiht, so formt er wirklichgesehene Typen zu antikisierenden Statuen um, die vor uns stehen,einfach, notwendig wie Adolf Hildebrands nackter Jüngling in derNationalgalerie. So schildert er den Saitenspieler:
Wie er das krause Haupt mit weißem Ringe,Die schmalen Schultern mit dem reichen KleideGeschmückt, hervortrat und die Laute schlug,Zuerst erzitternd in der Scheu der Jugend;Darob erwärmen sich auch strenge Greise.Wie er auf Wangen banges Rot entzündet,Wie dem vor ungewohntem Gruß GeneigtenVon manchem Busen köstliches GehängUnd Spangen niederfielen: des gedenkt manSoweit des hcil'gen Baumes Fracht gedeiht.Die Mädchen sprechen eifrig unter sich,Verschwiegen duldend schwärmen alle KnabenVom Helden ihrer wachen Sternennächte.
In der Schlichtheit, mit der hier typische Züge ausgewählt sind,die schmalen Schultern, der Gruß der Menge, die schlaflosen Nächte
— darin glaube ich einen Abglanz homerischer Kunst zu sehen unddoch wieder ganz modernes Fühlen, das dem Virtuosen einen Heroen-kultus entgegenbringt, wie man ihn seit der Renaissance nicht ge-kannt hat. Es ist ein Porträt, gewiß; aber keine ikonische Statue,sondern eine idealisierende wird dem Olympiasieger errichtet —eine Statue, in der das Ideal des bildenden Künstlers mit derRealität des Dargestellten wie Vater und Mutter sich zusammen-finden, um ein Drittes, Höheres zu erzeugen.
Mit solcher Kunst weiß er in den „Hängenden Gärten^ diestimulierenden Farben und Geräusche der Großstadt zu phantastischerPracht umzudichten, „die sinnliche Luft unserer angebeteten Städte"
— wie die Goncourt im Eingang von „Manette Salomon" das abend-liche Paris, wie Hofmanusthal das Venedig Tizians . Wollen wirwirklich diese Kunst von uns weisen, die sogar der Häßlichkeit modernerGroßstädte Schönheit, eigenartige Schönheit zu entlocken versteht?